Kultur und Politik:Deutliche Botschaften

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Dirigent Daniel Barenboim hält eine Rede und Pianist Igor Levit schmuggelt die Europahymne in seine Zugabe - eigentlich sind die urbritischen "Proms" -Promenadenkonzerte eine unpolitische Angelegenheit. Ein Jahr nach dem Brexitvotum war das anders.

Von Alexander Menden

Die diesjährige Saison der "Proms", scheint sich zu einem Forum proeuropäischer Botschaften zu entwickeln. Obwohl der patriotische Geist dieser Promenadenkonzerte der BBC traditionell unpolitisch bleiben soll. Bereits am vergangenen Samstag hatte der deutsch-russische Pianist Igor Levit beim Eröffnungskonzert als Überraschungszugabe Beethovens "Ode an die Freude" in der Bearbeitung von Franz Liszt gespielt. Alle hatten die Botschaft dann auch so verstanden, wie sie gemeint war, schließlich handelt es sich um die Europahymne.

Am Sonntag war dann die Staatskapelle Berlin mit einem Edward-Elgar- Programm an der Reihe. Kaum hatte sich nach einer spannungsreichen Darbietung von Elgars 2. Symphonie der Applaus in der Royal Albert Hall gelegt, ergriff deren Leiter Daniel Barenboim unerwartet das Wort: Er wolle "nichts Politisches" sagen, sondern etwas "von menschlichem Belang". Es folgte verhaltenes Gelächter. Und er wurde dann auch durchaus deutlich.

Daniel Barenboim nahm das Wort "Brexit" nicht in den Mund, aber es war klar, was er meinte

Die isolationistischen Tendenzen auf der Welt stimmten ihn sehr besorgt, so der Dirigent. Er habe viele Jahre in Großbritannien gelebt, sei hier verheiratet gewesen und habe viel Zuneigung erfahren. Das bewege ihn nun zu dieser Intervention. "Wenn man die Schwierigkeiten betrachtet, die der europäische Kontinent gerade erlebt", so Barenboim, "dann erkennt man, dass der Grund dafür ein Mangel an Bildung ist. Weil die Menschen im einen Land nicht wissen, warum sie etwas angehören sollten, zu dem auch andere Länder gehören." Er meine damit nicht nur Großbritannien.

Die jüngeren Generationen müssten verstehen, dass Griechenland, Deutschland, und Frankreich alle etwas gemeinsam hätten, und zwar die "europäische Kultur, nicht nur den Euro". In dieser Kulturgemeinschaft namens Europa sei "Platz für verschiedene Kulturen, für unterschiedliche Perspektiven". Auch religiöser Fanatismus könne nicht allein mit Waffen, sondern müsse ebenfalls mit Bildung bekämpft werden: "Das wahre Böse in der Welt kann nur durch eine Menschlichkeit bekämpft werden, die uns alle vereint - das schließt euch alle ein."

Um zu beweisen, dass er "es ernst meine", wandte er sich unter dem Applaus des Publikums dem Orchester zu, das zum Abschluss Elgars "Pomp and Circumstance"-Marsch Nr.1 anstimmte, der fester Bestandteil der patriotisch gestimmten "Last Night of the Proms"-Programme ist. Obwohl Daniel Barenboim das Wort "Brexit" nicht einmal in den Mund nahm, obwohl Igor Levit sich weder während noch nach dem Konzert zu seiner Zugabe äußerte, kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Briten die Botschaften laut und deutlich vernahmen.

© SZ vom 18.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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