Kultur:Mörderische Partie

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Der Tenor Ludwig Schnorr von Carolsfeld als Tristan in der Münchner Inszenierung von 1865. (Foto: Allitera Verlag)

Der erste Titelheld der Oper starb kurz nach der Uraufführung

Von Rita Argauer

Ein paar Fähnchen zieren das Deck des aktuellen Schiffs, mit dem Tristan und Isolde ihre schicksalsschwere Fahrt antreten. Wie ein Vergnügungskreuzer wirkt es, schlank und hell; und ein wenig auch wie einem Comic entsprungen: An der Reling hängen stilisiert ein paar Wikingerschilde, die ironisch nicht nur von der Herkunft des berühmten Paares auf dem Schiff erzählen, sondern auch ein wenig auf die Inszenierungsgeschichte der Oper schielen. Johannes Leiacker entwarf dieses Bühnenbild für Peter Konwitschnys "Tristan", die aktuelle Inszenierung, die seit 1998 an der Bayerischen Staatsoper gespielt wird. Doch bis zu dieser plötzlich ironischen Deutung war es ein langer Weg.

Neunmal wurde "Tristan und Isolde" bisher am Münchner Nationaltheater inszeniert, die von Konwitschny läuft nun im 17. Jahr. Auf nur vier Aufführungen brachte es hingegen die Uraufführung 1865, bevor die Inszenierung 1869 wieder aufgenommen wurde. Der erste Sänger des Tristan, Ludwig Schnorr von Carolsfeld, der mit seiner Frau Malwina die Titelpartien sang, starb überraschend. Heute nimmt man an, dass er an einer Infektionskrankheit verschied. Den Mythos um Tristan als unsingbare Partie befeuerte das, auch wenn Wagner damals betonte, wie wichtig es sei, "die falsche Meinung zu widerlegen, als sei er in Folge seiner Ueberanstrengung durch den Tristan zu Tod gekommen".

Doch diese Tragik passte zu gut zu dieser düsteren Oper, als dass die Gerüchte um die mörderische Partie sich nicht hätten ausbreiten können. Der Inszenierungsstil, für den sich bei der Uraufführung Wagner persönlich zusammen mit Eduard Sigl verantwortlich zeigte, entsprach diesem Eindruck: Damals diente die Theatertrickkiste noch viel mehr dazu, ein Publikum, das weder die Illusionskiste Fernseher noch das Kino kannte, zu beeindrucken. Ähnlich den Special-Effects heutiger Kino-Filme wurde da also großzügig die Stimmung der erzählten Geschichte illustriert: Düster, schwer, harmonisch schwankend und wankend - monumental war das Werk, das Wagner da geschaffen hatte. Dementsprechend pompös und großgestisch muss die Uraufführung unter der musikalischen Leitung von Hans von Bülow ausgesehen haben. Die Ausstattung übernahm damals Angelo Il Quaglio zusammen mit dem auf Landschaften spezialisierten Maler Heinrich Döll - sie orientierten sich am monumentalen Stil der zeitgenössischen Historienmalerei. Eine mittelalterliche Burg, ein altertümliches Segelschiff und die pompöse Rittertracht für Tristan. Das "Game of Thrones" des 19. Jahrhunderts; und eine Ästhetik, die die "Tristan"-Inszenierungen in München bis weit ins 20. Jahrhundert hinein prägte.

Erst Rudolf Hartmann, der 1965 "Tristan" zum Hundertjährigen zum zweiten Mal inszenierte (seine erste "Tristan"-Version hatte 1958 Premiere), verzichtete in seinem Bühnenbild, für das er sich in der Jubiläums-Premiere selbst verantwortlich zeigte, auf den bis dato zelebrierten Detail-Realismus der Vorgänger. Das Schiff wurde nur noch durch segelartige Netze dargestellt, die Kostüme von Ingrid Bjoner und Fritz Uhl aber entsprachen weiterhin der erzählten Zeit der Geschichte.

August Everding brach dann mit dem vorherrschenden "Tristan-Stil" in München. 1980 interpretierte er die Geschichte auch mit szenischen Mitteln, statt sie nur zu illustrieren - Symbole rückten an die Stelle der realistischen Abbildung. So spielte etwa der zweite Akt in einem üppigen Mohnfeld, während Bühnenbildner Herbert Kapplmüller im ersten Akt Hartmanns schlanke Netze wieder aufgriff, aber Isoldes Gemach in einem düster-bedrohlichen Schiff als gruftartiges Gefängnis zeigte. Es hagelte Buhs ohne Ende und Verrisse. Nur Joachim Kaiser schrieb damals in der SZ: " . . .so sei hier nachdrücklich festgehalten, dass auch die Ovationen ihre Gründe hatten."

© SZ vom 10.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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