Kritik:Unbändiger Wille

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Das wunderbare "Arcanto-Quartett" in der Allerheiligenhofkirche

Von Harald Eggebrecht, München

- Vier weltberühmte Streicher - Antje Weithaas und Daniel Sepec, Violine, Tabea Zimmermann, Viola, und Jean-Guihen Queyras, Violoncello - haben sich als Arcanto-Quartett zusammengeschlossen, um auf ihrem weltweit gefeierten Solistenrang die grandiose Quartett-Literatur zu spielen. Ergibt die Summe unverwechselbarer Persönlichkeiten schon ein Ensemble, das auf dem schwindelerregenden Niveau etwa des Quatuor Ebène oder des Schumann-Quartetts zu spielen vermag?

Die "Arcantos" haben sich 2002 gegründet und dann zwei Jahre lang ihr öffentliches Vierer-Gespräch vorbereitet. Sie sind nun eine Gruppe, die wahrer Ensemblegeist beseelt: Intonationsabstimmung, aufmerksamst aufeinander hören, der jeweiligen Funktion gemäß musizieren, symphonisch denken, das Werk im Blick haben. Zugleich darf sich die jeweilige solistische Potenz innerhalb dieser Bedingungen berauschend entfalten. Dabei erwies sich Beethovens op. 95 als zu sperrig für den "Kaltstart". Die enorme harmonische Verdichtungs- und Vernetzungsarbeit, die Harschheit der Kontraste, andererseits das melodiöse Sehnen kamen nicht mit jener Unbedingtheit heraus, der man sich nicht entziehen kann. Doch mit Robert Schumanns op. 41, 1 begann die Allerheiligenhofkirche unter dem Glanz, der Nuancierungskultur, dem Farbensinn, der Leuchtkraft der Soli und der Wucht der Tutti geradezu orchestral zu erstrahlen. Unbändiger Gestaltungswille fährt da bei einem solchen Solistenensemble in die Musik, jede Note, jede Verzierung, jede Begleitung, jede Kantilene "spricht" unmittelbar. Dieser Eindruck wurde in Bedřich Smetanas "Aus meinem Leben" überwältigend vertieft. Unvergesslich, mit welcher Vehemenz Tabea Zimmermann das Violarezitativ des Kopfsatzes deklamierte, wie Antje Weithaas und Daniel Sepec Zwiegesänge auslebten und Unisono-Attacken blitzen ließen, wie Jean-Guihen Queyras Largo-Ruhe beschwor und mit welcher virtuosen Freude Scherzo und Finale elektrisiert wurden. Dann die ungeheure Wehmut, die das Arcanto-Quartett in den Piano-Pianissimo-Schlusstakten nach dem Schock des hohen E, der Tinnituserfahrung Smetanas, ausbreitete - danach lange Stille, gefolgt von dankbarem Beifall.

© SZ vom 29.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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