Krimi-Kolumne:Kleine Träume

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Mike Nicol ist mit einer fulminanten Trilogie über Macht und Rache bekannt geworden. In "Bad Cop" erzählt er vom Fortwirken der Vergangenheit bis ins Heute und vom Überleben in Kapstadt.

Von Fritz Göttler

Der Korruptionsskandal will nicht enden, immer aufs Neue wird der Angeklagte vor Gericht geholt. Mr. Mkezi, fragt der Staatsanwalt, haben Sie ein Paar Schuhe aus Krokodilleder als Geschenk angenommen? Und Jacob Mkezi, der Top-Cop, einst Polizeipräsident von Kapstadt, windet sich. Ja, er ist mit dem Gangster ins Schuhgeschäft gegangen, hat die Schuhe dort anprobiert. "Ich hatte meine Kreditkarte vergessen . . . Ich weiß es nicht mehr . . ."

Eine peinliche Befragung, eine komische Nummer, aber irgendwie kann Jacob Mkezi ganz gut damit leben, dass er nun der Mann mit den Krokodillederschuhen ist. Er ist ein Lobbyist von Verbrechen und Gewalt, unzählige dunkle Geschäfte laufen über ihn. Korruption ist sein Job. Ein Genießer. Manchmal holt er sich auf nächtlicher Straße einen kleinen Jungen in seinen Hummer, für einen schnellen Blowjob. Bei einer Abendveranstaltung trifft er die schöne Anwältin Vicki Kahn. "Ich kannte Ihre Tante Amina Kahn. Als sie in Paris war. Sie war meine Lebensretterin, bis man sie ermordet hat." Historischer Minimalismus, das Buch schlägt einen Haken nach dem andern, es verachtet Gradlinigkeit, denn die Geschichte Südafrikas heute ist überlagert von zahllosen Schichten seiner gewaltsamen Vergangenheit. "Wir waren gemeinsam im Exil, wissen Sie. Haben Sie Goethe gelesen, Ms. Kahn? Ich habe während meiner Zeit in diesem Land Deutsch gelernt. Es gibt ein Zitat von Goethe: ,Träume keine kleinen Träume . . .' Ihre Tante hat einiges über Männer mit großen Träumen herausgefunden, und es hat ihr nicht gefallen."

Große Träume, kleine Träume . . . Aus Südafrika kommen heute die Kriminalromane mit der wildesten Grausamkeit und der größten Desillusionierung. Nur mit Menschenverachtung lässt es sich überleben in dieser Gesellschaft, und keiner bleibt unversehrt dabei. Mike Nicol, der auch Lyrikbände und eine Mandela-Biografie geschrieben hat, wurde bei uns bekannt durch die phänomenale Trilogie "Payback/Killer country/Black heart" um Mace Bishop und Sheemina February, die lakonisch die Mechanik der Träume analysiert, die der Macht und der Rache.

Die Geschichte einer alten Polit-Todesschwadron spielt in die Gegenwart hinein

Große Träume gehen im neuen Roman "Bad Cop" um extrem wertvolle Bestände an Rhinozeroshörnern, für die kleinen Träume ist Bartolomeu Pescado zuständig, genannt Fish, der mit seinem Freund Daro Attilane so viel Zeit des Tages wie möglich beim Surfen verbringt, in Surfers' Corner im Stadtteil Muizenberg. Ansonsten hält er sich mit Grasverkauf über Wasser und werkelt, wenn's nicht reicht, als Privatdetektiv, wenn nicht gerade seine Mutter Estelle ihn einspannt, die investitionssüchtige Chinesen für eine südafrikanische Goldmine begeistern will.

Über Vicki Kahn, die seine Freundin ist, wird auch Fish dann in die ganz großen Geschäfte um Jacob Mkezi und Co. hineingezogen, aus der Vergangenheit spielt die Geschichte einer Polit-Todesschwadron in die Gegenwart, deren vier Killer uns der Roman durchaus nahebringt - und auch Fish muss erkennen, dass er mehr mit deren Verbrechen zu tun hat, als er je ahnen hätte können. "Bad Cop" ist ein hartes und kompromissloses Buch, aber es ist voller Anklänge an die klassischen europäischen Schelmenromane. Und mit der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts ist auch die Entwicklung Südafrikas eng verknüpft.

Die Pistole, die Fish manchmal zum Einsatz bringen muss, ist ein Erbstück, ein Astra Modell 400 mit Holzgriff und geeignet sowohl für Neun-Millimeter-Largo- wie für Neun-Millimeter-Parabellum-Patronen. Der Großvater Pescado hat sie im Spanischen Bürgerkrieg benutzt, als er mit den internationalen Truppen kämpfte. In ihr ist Geschichtlichkeit konzentriert, eine Geschichtlichkeit, die weiter aktiv ist und lebendig. "Als ihm Estelle die Waffe gab - eine Art Geschenk zur Volljährigkeit -, hatte Fish angenommen, dass sie seit Jahrzehnten nicht abgefeuert worden war. Sofort fuhr er mit ihr zu einem Schießplatz im Glancairn-Steinbruch. Die Pistole schoss, als ob man sie auf spanische Faschisten richten würde. Lag gut in der Hand. Und hatte keinen allzu starken Rückstoß."

Mike Nicol: Bad Cop. Ein Kapstadt-Thriller. Aus dem Englischen von Mechthild Barth. dtb, München 2015. 543 Seiten, 9,99 Euro.

© SZ vom 22.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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