Konzert in New York:Einmal nur von ihm gesehen werden

Lesezeit: 2 min

Der norwegische Autor Karl Ove Knausgård und sein Werk sind gerade Stadtgespräch in New York. Da trifft es sich, dass der Mann dort auch als Schlagzeuger auftritt. Doch sein Spiel bleibt rätselhaft.

Von Peter Richter

Das Westway ist ein Rockschuppen am Rande des West Village in New York. "Stehen Sie auf der Liste?", fragt der Türsteher.

"Leider nicht." "Dann immer hereinspaziert. Es ist im übrigen kostenlos."

Statt einer Kasse gibt es einen Büchertisch mit den Werken des Schlagzeugers, den man hinten, von der Bühne her schon stoische Rhythmen schlagen hören kann. Es liegt hier praktisch alles, was von Karl Ove Knausgårds Büchern bisher übersetzt wurde. Noch nicht dazu gehört leider jener Band aus "My Struggle", in dem er, so sagt man, ausführlicher über Lemen schreibt, seine Band aus Studententagen, deren Name, so sagt man, wohl mit "Lemminge" übersetzt werden müsste.

Denn man sagt, munkelt, tweetet und raunt sich ja pausenlos was zu über Knausgård. Selten genug wird ein Schriftsteller, der nicht englisch schreibt, dermaßen gefeiert in den USA. Und wer bereits weiß, wie der Kot des jungen Knausgård aussah, der will natürlich jetzt auch wissen, wie sein Schlagzeugspiel als Student klang. Aus dem Kommentareintrag eines norwegischen Knausgård-Insiders im Internet wissen wir nun, dass Lemen ursprünglich "Kafkatrakterne" hieß, was Kaffeemacher heiße, aber natürlich auch auf Kafka anspiele.

Er verrät dann nicht, ob sie damals schon die Türsteher beauftragt haben, die Besucher zu verwirren. Was er verrät, der Insider, ist dies: Die Band Lemen wurde wieder ins Leben gerufen, um die Bücher eines anderen Autors zu promoten, nämlich die des Gitarristen Tore Renberg. Jetzt hat sie ein norwegisches Literaturfestival in New York noch einmal zusammengebracht, und hier ist Knausgård nun der Grund, dort mal hinzugehen.

Es stehen da drei Männer mit Gitarren, alle Anfang bis Mitte vierzig, es gibt eine Sängerin, die jünger sein muss, und manchmal auch Geige spielt; und hinter dem Schlagzeug sitzt einer, der wie Knausgård aussehen könnte, wenn er denn eine Zigarette im Mund stecken hätte, so wie auf den Fotos.

In New Yorker Rockschuppen herrscht aber Rauchverbot. So bleibt sein Mund ein Strich. Sein Schlagzeugspiel lässt sich mit Nasenatmung bewältigen. Mit anderen Worten: Karl Ove Knausgård versucht nicht gerade, Dave Lombardo zu sein. Lemen sind allerdings auch nicht Slayer. Sondern: Gitarrenpop mit Frauenstimme, frühe Neunziger, wer damals die Cardigans aus Schweden mochte, der hätte auf einer Studentenfete in Norwegen auch Lemen gut gefunden.

Leute, die häufiger auf Lesungen zu gehen scheinen als in Rockkonzerte, stehen und starren durch die Band hindurch bis hinters Schlagzeug. Denn die Vermutung muss ja gelten, dass, wer Knausgård sieht, vielleicht auch von Knausgård gesehen wird und sich umgehend in Literatur verwandelt. Der Schriftsteller Jeffrey Eugenides schrieb neulich, dass er Knausgård mal zum Mittagessen eingeladen habe, um ihn näher kennenzulernen, und dann habe der aber praktisch gar nicht geredet: Der Mund ein Strich.

Doch wenig später fand sich der missglückte Lunch mit dem Amerikaner minutiös in Knausgårds Prosa wieder. Wer ebenfalls so geadelt werden will, klemmt nach dem letzten Lied die Bierdose (Stella Artois) in die Armbeuge und klatscht besonders laut. Knausgård - so groß, dass er es gewohnt zu sein scheint, den Kopf einzuziehen - springt als erster von der Bühne und geht nach draußen auf die Straße. Zigarette ins Gesicht stecken. Wie Knausgård aussehen.

© SZ vom 22.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: