Kommentar:Zweischneidige Einigkeit

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Die Kulturminister der sieben mächtigsten Industriestaaten haben sich auf eine gemeinsame Kulturpolitik verständigt. Ein Grund zur Freude ist das kaum.

Von Thomas Steinfeld

Am Donnerstag und am Freitag dieser Woche trafen sich die Kulturminister der sieben mächtigsten Industriestaaten (also ohne Russland, um von China gar nicht anzufangen) in Florenz, um sich, zum ersten Mal überhaupt, über die Grundzüge einer gemeinsamen Kulturpolitik zu verständigen. Sie gilt zuallererst der Erhaltung historischer Stätten und Kunstwerke in den Ländern, in denen Krieg gegen islamistische Milizen geführt wird, zudem dem Umgang mit terroristischen Bedrohungen und der Verhinderung und der Verfolgung des illegalen Kunsthandels.

Die Einigkeit der Teilnehmer war dabei so groß, dass die abschließende Pressekonferenz erwartungsfroh geriet. Ebenso wenig fehlten die Anrufungen einer gemeinsamen "Identität" - Maria Böhmer, die für auswärtige Kulturpolitik zuständige Staatsministerin im Auswärtigen Amt, sprach davon, jene Identität sei "vom kulturellen Erbe nicht zu trennen".

Es solle, so die Kulturminister, bei kriegerischen Konflikten oder terroristischen Anschlägen als unbedingt zu verteidigendes hohes Gut gelten. In Zukunft werde sich außerdem eine eigene, der Unesco unterstellte Einsatzgruppe um die Gefährdungen des kulturellen Erbes kümmern. Florenz war dabei als Ort dieses ersten Treffens gut gewählt: Diese Schönheit möchte man tatsächlich nicht verloren sehen, in seiner Gesamtheit und in jedem einzelnen Werk.

Ob die Beförderung von Kunstschätzen und historischen Stätten zu Manifestationen einer "Identität" - und gar einer "Identität" des gesamten Westens - diesen tatsächlich guttut, oder ob sie nicht mit diesen Mitteln überhaupt erst hergerichtet werden zu spektakulären Schaustücken einer nur behaupteten Gemeinsamkeit, ist allerdings noch eine offene Frage. Sie gewinnen auf diesem Weg schließlich einen symbolischen Wert, der ihre historische und ästhetische Bedeutung übersteigt und eher dazu taugt, die Frontlinie eines Konflikts zu markieren, der als "Kampf der Kulturen" ausnahmsweise richtig bezeichnet wäre.

Vielleicht aber wendet sich die neue Einigkeit einer nunmehr international auftretenden Kulturpolitik gar nicht so sehr nach außen, gegen einen Fundamentalismus, der in historischen Gütern die Verdinglichungen einer verhassten Lebensweise oder Gesellschaftsform erkennt. Möglicherweise wendet sie sich auch nach innen.

Es war in diesem Sinne Dario Franceschini, der italienische Kulturminister und Gastgeber des Treffens, der die Kultur als Moment der Einigung unter den Industriestaaten beschwor. Und es spricht einiges dafür, dass angesichts eines immer offener, ja feindseliger agierenden nationalen Egoismus, der die Verhältnisse auch zwischen den Mitgliedsstaaten der alten westlichen Allianzen beherrscht, die Kultur in die Rolle eines Ideals von Gemeinsamkeit zurückkehrt - ähnlich, wie die Idee des gemeinsamen "Abendlands" die intellektuellen Debatten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs dominierte. Nur, dass die großen gewalttätigen Auseinandersetzungen damals fürs Erste gerade vorüber waren.

© SZ vom 01.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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