Kommentar:Teuflische Quote

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Beim Bayerischen Filmpreis werden gleich fünf Filmemacherinnen für die beste Regie ausgezeichnet. Das ist ein Zeichen gegen den männlich dominierten Kinobetrieb, aber auch eine Herabwürdigung der einzelnen Werke.

Von Tobias Kniebe

Am Freitagabend wurde beim Bayerischen Filmpreis die Auszeichnung für die beste Regie vergeben - und gleich unter fünf Frauen aufgeteilt. Kaum eine Entscheidung im Preisverleihungszirkus der letzten Jahre hat spontan so viele Diskussionen, Fassungslosigkeit und auch Wut ausgelöst, besonders bei Frauen.

Es war eine Entscheidung von Frauen für Frauen, acht Jurorinnen standen drei Juroren gegenüber. Jurymitglied Caroline Link zitierte auf der Bühne die bekannte Statistik, derzufolge nur fünfzehn Prozent aller Kinofilme in Deutschland von Frauen inszeniert werden, und erklärte stolz die Idee: "Wir möchten in diesem Jahr ein Spotlight richten auf Regisseurinnen, die uns beeindruckt haben mit ihrer Kunst." Danach wurden die Siegerinnen verkündet: Maren Ade für "Toni Erdmann", Nicolette Krebitz für "Wild", Maria Schrader für "Vor der Morgenröte", Marie Noëlle für "Marie Curie" und Franziska Meletzky für "Vorwärts immer!". Letzterer Film ist offenbar eine Komödie mit Erich-Honecker-Imitator, die außer der Jury noch niemand gesehen hat, weil sie erst im Herbst startet.

So wichtig der Gedanke weiblicher Solidarität sein mag, so mächtig drängten sich sofort die Gegenfragen auf. Da dreht man, wie Maren Ade, ein epochemachendes Werk wie "Toni Erdmann", und das soll nur einen Fünftel-Preis wert sein? Ist der Sinn einer Preisverleihung nicht gerade, zwischen Filmen ästhetisch zu differenzieren, aus vielen guten einen besten zu wählen, so subjektiv und ungerecht das auch sein mag? Selbst zweigeteilte Preise wirken schon immer unentschieden. Auf jeden Fall halbieren sie die Freude der Sieger.

Maren Ade ist dann gar nicht erschienen, was die konsequenteste Haltung war, auch wenn es mit Verpflichtungen im Ausland begründet wurde. Die vier anderen Frauen kamen auf die Bühne, und ihr Dilemma dort oben hätte sich kein Anti-Feminist teuflischer ausdenken können. Um der eigenen Würde willen mussten sie die Wertreduzierung dieser Gruppenbelobigung irgendwie thematisieren, zugleich aber die Idee der Frauenförderung hochhalten. Maria Schrader fand die Worte dafür: "Niemand käme doch auf die Idee, einen Regiepreis an fünf Männer zu verteilen", sagte sie, von großem Applaus unterstützt. Und fügte doch gleich an, wie glücklich sie sei, "in dieser Gesellschaft" auf der Bühne zu stehen und vielleicht dazu beizutragen, Frauen mehr Chancen zu eröffnen. "Hoffen wir, dass dieses geschlechtsspezifische Gruppenbild, das wir hier abziehen, in ein paar Jahren obsolet sein wird."

Das muss in der Tat der Plan sein. Dieser Filmpreisabend aber erinnert auch an die Gefahren auf dem Weg dorthin. Eine Minderheit, die sich selbst für schutzbedürftig erklärt, läuft eben auch Gefahr, mit besten Absichten in ein Gehege gesperrt zu werden. Die Nivellierung jeder künstlerischen Leistung aber, die damit zwangsweise einhergeht, war am Freitagabend schon einmal als sehr peinigend zu erleben.

© SZ vom 23.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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