Kommentar:Kulturfans im rechten Flügel

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Jörg Häntzschel ist Redakteur im Feuilleton. (Foto: Bernd Schifferdecker)

Die rechtsradikale alt.right-Bewegung in den USA verehrt die britische Schriftstellerin Jane Austen und die Band Depeche Mode. Dass die eine Feministin war und die Musiker Linke sind, kann sie nicht beirren.

Von Jörg Häntzschel

Mein Kampf" vielleicht, oder etwas von Oswald Spengler oder Julius Evola. Aber Jane Austen? Und doch: Amerikas "alt right", die neue, radikale Rechte, hat die britische Schriftstellerin entdeckt, die bisher als feministische Ikone galt, und führt sie ständig als Referenz an. Für was genau, konnte auch der Chronicle of Higher Education nicht ermitteln, der das Phänomen untersuchte.

Mal wird sie als Ausnahme der Regel bemüht, dass die meisten großen Staatsmänner, Denker, Künstler nun einmal Männer waren. Mal werden ihr die eigenen Worte im Mund verdreht, so wie neulich vom selbst bei den Rechten mittlerweile in Ungnade gefallenen Milo Yiannopoulos, der auf Austen gemünzt meinte: "Wie eine viktorianische Romanautorin gesagt hätte: Es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass eine hässliche Frau viel eher Feministin ist als eine attraktive." (Austen war beim Beginn der viktorianischen Ära 1837 allerdings schon 20 Jahre lang tot.)

Sogar in den Wettstreit der beiden großen Rivalinnen des zeitgenössischen Pop, Miley Cyrus und Taylor Swift, wird Jane Austen hineingezogen. Andrew Anglin, ein Blogger der rechtsradikalen Website "The Daily Stormer", bezeichnete Swift als "geheimen Nazi", sein größtes Kompliment. "Sie ist die Anti-Miley. Während Miley draußen gang-bangs mit farbigen Herren hat, sitzt sie mit ihrer Katze zu Hause und liest Jane Austen."

Die naheliegendste Erklärung für Jane Austens Popularität bei den Rechten ist wohl, dass sie eine oberflächliche Sehnsucht nach der Ära hegen, die sie aus Austens Romanen, oder eher: deren Verfilmungen kennen. Eine Zeit, in der die Menschen trotz schüchterner Rebellion noch ihren angestammten Platz in der Gesellschaft hatten, in eleganten Stilmöbeln Romane lasen und vor allem - von gelegentlichem Erröten abgesehen - durch und durch weiß waren.

Wie sentimental und ideologisch indifferent die vermeintlich so orthodoxen alt-right-Jünger sein können, das zeigen Äußerungen von Richard Spencer, dem Kopf der alt-right, über die Band Depeche Mode, die er noch mehr zu verehren scheint als Jane Austen. "Es gab schon immer einen gewissen nostalgischen Synthie-Wave-Vibe in der alt-right", erklärte er dem Rolling Stone. Den Hinweis des Interviewers auf die linken Positionen der Band ließ Spencer nicht gelten: "Vielleicht ist es eine Frage der Generation. Menschen meinen Alters sehnen sich nach ihrer Kindheit." Doch Spencer ging noch weiter: "Auch Trump hat ja so was Achtzigerjahremäßiges. Das ist das Jahrzehnt, das ihn geprägt hat." Sind die neuen Rechten etwa nur Nostalgiker, die auf ewig ihrer Teenie-Zeit nachhängen? - Zu früh gefreut: "Das war wohl der letzte Moment", so fährt Spencer fort, "als es noch etwas wie ein weißes Amerika gab."

© SZ vom 25.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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