Kommentar:Erst Befremden, dann Verzweiflung

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SZ-Zeichnung (Foto: sz)

Der 29-jährige Theaterkritiker und Autor Simon Strauß soll ein Wegbereiter der Rechten sein. Dafür gibt es keine Beweise. Stattdessen folgen die Vorwürfe einer fatalen Freund-Feind-Logik.

Von Jens-Christian Rabe

Es gibt eine Debatte um den 29-jährigen Autor und Theaterkritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Simon Strauß, die einen zunächst befremdete und dann verzweifeln ließ. Weil offenbar nicht nur eine Partei wie die AfD, in deren 92-köpfiger Bundestagsfraktion erklärte Rassisten und Antisemiten herumwerkeln, ein Teil der deutschen Öffentlichkeit geworden ist. Es scheint auch so, als ob der ideologische Kern ihrer Weltanschauung den liberal-demokratischen Diskurs vergiftet.

Befremdet las man zuers t die t az, die vermeintlich belastendes Material zusammengeklaubt hatte und das diskursive Todesurteil verkündete: Simon Strauß, Sohn des Schriftstellers Botho Strauß, schreibe "Pamphlete für die neue Rechte". In Strauß' Debüt, der literarisierten Reifeprüfung eines jungen Mannes mit dem Titel "Sieben Nächte", hatte er sich als Vitalist erprobt gegen die gefühlte Übermacht der postmodernen Ironiker, dabei die eigenen Widersprüche aber eben doch auch nie aus dem Blick verloren. Man musste es weder mögen noch die Kritikansätze teilen, um zu bemerken: Das Werk eines rechten Ideologen ist dieses Buch nicht. Allenfalls das eines konservativen Liberalen.

Das zentrale Beweisstück in der taz war nun allerdings nicht das Buch, sondern ein Besuch im Jahr 2015 des offen rechtsradikalen Publizisten Götz Kubitschek in einem Berliner Diskussions-Salon, den Strauß mitveranstaltete. Die taz zitierte einen späteren Bericht Kubitscheks in einem rechten Blog so, als habe er die jungen Leute auf ganzer Linie überzeugt. Liest man den kompletten Eintrag, trifft man auf eine andere Bilanz Kubitscheks: "Wir redeten permanent aneinander vorbei und konnten die Notwendigkeit, sich auf unseren Argumentations- und Interpretationsweg der Lage der Zeit einzulassen, nicht vermitteln."

De r Spiegel legte wenig später trotzdem nach unter der scheinheilig getarnten Frage: "Ist der Schriftsteller Simon Strauß ein Wegbereiter der Rechten?" Das Magazin hatte Strauß für "Sieben Nächte" noch vorbehaltlos gefeiert. Jetzt aber sollte ihn plötzlich ein Zitat aus einer absichtlich lakonischen Zusammenfassung des Lebens des jüdischen Historikers Ernst Kantorowicz (im Rahmen einer Rezension einer Biografie) als kalten Antidemokraten entlarven. Ähnlich ging auch eine Autorin der Zeit vor.

Die echten rechten Intellektuellen um Kubitschek und den Wiener Identitären Martin Lichtmesz lachen sich derweil ins Fäustchen. Kubitscheks Lebensgefährtin Ellen Kositza zitierte am Donnerstag auf Sezession.de genüsslich die Vorwürfe gegen Strauß: "Anscheinend gibt es nichts Ekligeres oder Brutaleres, als mit dem Etikett ,rechts' behängt zu werden?"

Ein Wunder ist diese Reaktion nicht. Der ideologische Kern rechten Denkens ist die strenge, alle Unterschiede planierende Freund-Feind-Logik. Ohne glasklare Feindschaft kann es schließlich nicht zum Kampf der Systeme kommen, den sie sich wünschen. Gibt man aber die zentrale Errungenschaft der liberalen Demokratie allzu leichtfertig auf, den robusten guten Willen zu Fairness und Differenzierung, spielt man schon das Spiel derer, die eine ganz andere Welt wollen.

© SZ vom 20.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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