Kommentar:Die Zerstörung einer Institution

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Der Austritt der USA aus der Weltkultur-Organisation hat nicht nur politische oder ökonomische Folgen. Er zerstört ihre geistigen Grundlagen.

Von Thomas Steinfeld

Wenn die USA die Unesco verlassen, dann heißt das nicht nur, dass eine mächtige Nation die Mitarbeit in einer globalen Organisation aufkündigt. Der Austritt ist auch nicht, wie Monika Grütters, die Kulturstaatsministerin, behauptet, "zu diesem Zeitpunkt das falsche Signal", geschweige denn treibt er, wie Andrea Nahles, die Vorsitzende der SPD-Fraktion, meint, die USA "in die Isolation". Letzteres setzt voraus, dass es so etwas wie eine Weltgemeinschaft gäbe - und dass diese weiter bestünde, wenn die Vereinigten Staaten nicht mehr daran teilnähmen. Ersteres unterstellt, dass die angeblich existierende Weltgemeinschaft gegenwärtig in eine ganz andere Richtung unterwegs wäre, als das die Vereinigten Staaten tun.

Beides ist nicht der Fall. Die Unesco war eine Institution des politischen und kulturellen Universalismus. Einen partikularen Universalismus aber kann es nicht geben, weshalb der Abschied der USA die Unesco nicht nur beschädigt, sondern ihre Grundlagen zerstört. Das gilt um so mehr, als die Unesco in ihren ersten Jahrzehnten eine amerikanisch inspirierte Organisation war. Unterstützt vom State Department, zum Teil finanziert vom Carnegie Endowment und von der Rockefeller Foundation, sollte es nach dem Zweiten Weltkrieg darum gehen, "solide Fundamente für die Bildung eines Weltbürgertums" zu errichten.

Dass diese Fundamente dann in späteren Jahren und aufgrund von numerischer Überlegenheit immer wieder von blockfreien und sozialistischen Staaten gekapert wurden, tat dabei dem Universalismus keinen Abbruch. Im Gegenteil: Damals wurde darum gestritten, wessen Universalismus nun gelten sollte. Als die Vereinigten Staaten im Jahr 1984 die Unesco zum ersten Mal verließen, ging es um eine Konkurrenz um die "Weltkommunikationsordnung" (Margaret Thatcher), nicht um deren Ende.

Das ist heute anders. Die Vereinigten Staaten sind zwar immer noch die mächtigste Nation der Welt. Zugleich aber sind sie nun eine Nation unter anderen, weshalb "America first" kein Komparativ ist, sondern die Ankündigung einer absoluten Differenz.

Die Unesco ist indessen eine Institution, die sich besonders dafür eignet, sich in spektakulärer Form von ihr loszusagen. Denn sie ist selbst nach dem Prinzip von Teilhabe und Spaltung organisiert, was man an keiner ihrer Veranstaltungen so gut erkennt wie an der Verteilung des Prädikats "Weltkulturerbe". Die Voraussetzung dieser Titelvergabe ist ein universalistisch gefasster Kulturbegriff, unter dem ein Sammelsurium von Monumenten erscheint, die sich um das Prädikat "bewerben" müssen - worauf sich die Veranstaltung ausnimmt wie ein sportlicher Wettkampf. Die Unesco hat mit den USA nicht nur einen Spieler, sondern auch den wichtigsten Schiedsrichter verloren.

© SZ vom 14.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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