Kommentar:Deutsche in London

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Johann Schloemann ist Redakteur im Feuilleton. (Foto: sz)

Hartwig Fischer aus Dresden soll Direktor des Londoner British Museum werden - und er ist kein Einzelfall: Längst überwinden Kulturinstitute nationale Grenzen.

Von Johan Schloemann

Das ist ja ein ganz schöner Schüttelverkehr zwischen London und Deutschland. Neuer Direktor des British Museum, des nach dem Pariser Louvre meistbesuchten Museums der Welt, soll der deutsche Kunsthistoriker Hartwig Fischer werden. Der 53-Jährige verlässt dafür seinen Posten als Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Den hatte er vor drei Jahren erst bekommen, als sein Dresdner Vorgänger Martin Roth ans Victoria and Albert Museum ("V&A") wechselte.

Während diese zwei Londoner Schatzhäuser, in deren Namen und Gestalt sich noch der universale Anspruch des Britischen Weltreiches ausdrückt, jetzt also ausgerechnet von Deutschen erobert werden, geht die Bewegung auch in die andere Richtung: Der belgische Starkurator Chris Dercon, der vom Münchner Haus der Kunst an die Tate Modern nach London gegangen war, kommt als Volksbühnen-Intendant nach Berlin. Der Dirigent Simon Rattle hat seine Koffer hier wie dort. Und der prestigereiche Job am British Museum, den es seit 1756 gibt, wurde deshalb frei, weil Neil MacGregor, nach dreizehn erfolgreichen Jahren dort, ebenfalls in eine Intendanz in Berlin einsteigt, die des Humboldt-Forums. MacGregor hinterlässt in London-Bloomsbury ein baulich wie konzeptionell aufgefrischtes Haus, ein modernes Museum der Weltkulturen von der Prähistorie bis zur Gegenwart. Diesen Kurs kann nun Hartwig Fischer, versierter Ausstellungsmacher und früherer Direktor des Essener Folkwang-Museums, fortführen - auch wenn die Kulturetats in Großbritannien durch die Sparpolitik der Regierung Cameron insgesamt stark unter Druck sind.

Geht denn das - ein Ausländer leitet das British Museum?

Der Neue ist der erste Ausländer als British-Museum-Chef seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Die englischen Zeitungen vermelden denn auch leicht verschnupft: Er sei ein Mann der leisen Töne, "ambitioniert" und, obschon polyglott, auf der Insel "nahezu unbekannt". Und werden jetzt nicht auch in Italien nationale Heiligtümer wie die Uffizien in Florenz, kuratorisch gesprochen, in deutsche Hände gegeben? Ist das alles gar Ausdruck eines neuen deutschen Kultur-Imperialismus, parallel zum politischen Machtzuwachs?

Nein. Der Erfolg deutscher Kunstexperten hat mit der immer noch eindrucksvollen Museums-Infrastruktur hierzulande zu tun und mit der kulturwissenschaftlichen Öffnung der Kunstgeschichte. Vor allem aber zeigt das Hin und Her, dass die immer schon internationalen Kulturbeziehungen dem wiedererstarkenden Isolationismus in Europa widersprechen. Hartwig Fischer sieht das Museum als "Akteur der Globalisierung". Das klingt nicht sonderlich teutonisch, oder?

© SZ vom 26.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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