Kommentar:Bloßgestellt

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Auch der Umgang mit Gurlitts privaten Dokumenten zeigt die Ignoranz der Taskforce.

Von Cathrin Lorch

Kinderbriefe, Fotos von Familienfesten, eine alte Puppe - was Menschen als ihr Privates verwahren, geht niemanden etwas an. Cornelius Gurlitt war ein misstrauischer Mensch, der zurückgezogen lebte, sich als Hüter eines Familienerbes verstand, das er als bedroht empfand. Vor allem fürchtete er die deutschen Behörden - als der Skandal um den "Schwabinger Kunstschatz" öffentlich wurde, wurde er als Sohn des NS-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt von den Medien gehetzt, als sei er persönlich der letzte Vertreter der Profiteure eines Unrechtsregimes. Dabei hatte er sich vor seinem Tod am 6. Mai des vorigen Jahres ja zur Zusammenarbeit mit der Justiz bereit erklärt, wollte Raubkunst zurückerstatten und zur Aufklärung beitragen.

Inmitten der Dokumente und Briefe - eine kleine rosa Puppe

Jetzt wird Cornelius Gurlitt noch einmal bloßgestellt. Es geht um 17 Kisten aus seinem Salzburger Haus. In den vergangenen Wochen war Kritik laut geworden, dass die Taskforce - die im Auftrag von Kulturstaatsministerin Monika Grütters die Provenienzen von Kunstwerken aus der Sammlung klärt - auf dieses Material keinen Zugriff hatte. Der Nachlasspfleger wollte noch nicht einmal Journalisten Zugang zu den Dokumenten gewähren. Jetzt ist alles anders: Die Taskforce Kunstfund prescht mit einer Aktion vor, die offenbart, wie unüberlegt und verantwortungslos die Behörden in diesem Fall agieren: "Seit Mitte März sind der Taskforce neue Quellen zugänglich gemacht worden", heißt es auf der Seite taskforce-kunstfund.de: "Hier finden Sie das Kurzinventar." Dieses enthält aber keine nach Künstlernamen, Orten, Daten oder Werken verschlüsselte Aufbereitung relevanter Dokumente - sondern lediglich unsortierte Listen und Fotografien des Inhalts der 17 Kartons. Wie aber soll man mit Material arbeiten, über das man nicht mehr erfährt, als dass es sich um "7 Einheiten Papiere/Korrespondenz (u. a.: Briefe aus Frankreich/Korrespondenz Ketterer)" handelt? Schlimmer als das Versäumnis aber ist die Ignoranz, mit der man auch "Impfscheine" und "Reife-Zeugnis" auflistet. Oder darauf hinweist, dass er seine "Kinder-Briefe" aufbewahrte.

Provenienzforscher werden damit nichts anfangen können. Auch wenn die Fotoalben, die Cornelius Gurlitts Vater Hildebrand als Kunsthändler während der Dreißiger- und Vierzigerjahre von seinem Besitz anlegte, ein wichtiger Schlüssel sind - der nun abgebildete elegante Einband allein hilft aber niemandem weiter, der Hinweise auf Kunstwerke sucht. Die kleine rosafarbene Zelluloidpuppe aber, die zwischen den vergilbten Dokumenten fotografiert wurde, fleischfarben, verloren - die symbolisiert die ganze Hilflosigkeit und Tragik dieser "Aufarbeitung" durch deutsche Behörden.

© SZ vom 04.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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