Kolumne Spurensuche:Hilflose Herrschaft

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Einen Papst in Bedrängnis malte Tizian - Paul III., der seine Macht gegen Enkel verteidigen muss, die an der eigenen Karriere basteln.

Von Kia Vahland

Die Welt verändert sich ständig - nicht aber die großen Fragen, die Menschen bewegen. Wir suchen in alten Filmen und Kunstwerken nach wiederkehrenden Motiven. Eigenmächtige Günstlinge quälten schon Tizians Paul III.

Die Vorstellung, Macht mache unangreifbar, hegt oft nur, wer sie noch nicht hat. Einmal ganz oben angekommen ist der eigene Wille noch lange nicht Gesetz. Andere Leute haben andere Interessen, und manch ein oberster Boss kümmert sich nun mehr um seinen Machterhalt als um sein Amt. Angela Merkel mag die einflussreichste Frau der Welt sein - nichtsdestotrotz verfolgt ihr Innenminister in der Asylpolitik gerade zu ihrem Schaden seine eigene Agenda.

Selten ist der Typus des hilflosen Machers in der alten Porträtmalerei zu sehen, zu deren Aufgaben die Imagepflege gehörte. Eine Ausnahme ist Tizians Porträt von Papst Paul III. mit seinen beiden Enkeln. Scharlachrot glimmert die Macht im ganzen Raum, sie ist kein Privileg des in Mozetta und Camauro gehüllten Papstes. Wachen Auges, aber mit gekrümmtem Nacken erfasst er die Situation. Rechts nähert sich mit Bückling sein Enkel Ottaviano, setzt zum Fußkuss an - und will doch nur das Herzogtum Parma zugesprochen bekommen, nachdem sein Opa ihn mit einer Tochter des spanisch-deutschen Kaisers verheiratet hat. Links hinter Paul erhebt sich sein Enkel Alessandro, ein Kardinal, der einmal Papst werden möchte und nun vorher schon auch nach dem Herzogtum giert. Viel zu nah rückt der junge Mann dem Heiligen Vater auf die samtene Pelle, während er den Betrachter wissend anschaut. Tatsächlich möchte Paul aus machttaktischen Gründen Parma lieber einem dritten Enkel zusprechen, dem künftigen Gatten einer französischen Prinzessin.

Paul III. hat selbst eine Karriere lang auf den Nepotismus, die familiäre Klüngelei, gesetzt. Nun aber, als alter Mann, hat er sich verfangen in diesem System. Martin Luther nennt ihn eine "epikureische Sau", die Protestanten sind auf den Barrikaden, die europäischen Könige kooperieren nicht mehr - und Pauls' Heirats- und Besetzungspolitik mit Günstlingen kann die Konflikte des Kontinents auch nicht mehr kitten.

Der Katholik Tizian malte das systemkritische Porträt 1545 auf seiner Romreise - die er angetreten war, um selbst vom Nepotismus zu profitieren, nämlich in der vergeblichen Hoffnung, sein Sohn erhalte kirchliche Pfründe. Das aber hinderte den Maler nicht, klarsichtig und distanziert dieses Dilemma der Macht zu erkennen und zu benennen.

© SZ vom 14.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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