Klassikkolumne:Ins Licht!

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Auch bei den Stücken der ganz großen Komponisten gibt es manche, die nicht oft aufgeführt werden, sondern im Schatten bleiben. Etwa Francesco Geminianis "composizioni", Maurice Ravels erste Sonate oder Darius Milhauds erstes Streichtrio.

Von Harald Eggebrecht

Man könnte denken, dass die Werke berühmter Komponisten allesamt gern und oft gespielt werden. Aber wie im Ganzen der überkommenen musikalischen Literatur gibt es auch bei den Stücken der ganz Großen manche, die nicht im Scheinwerferlicht der Konzertsäle bejubelt werden nach guten Aufführungen, sondern eher im Schatten bleiben. Oder ein Musiker und Komponist gilt als wichtig und bedeutend innerhalb der Musikgeschichte und wird doch kaum aufgeführt.

(Foto: N/A)

Etwa Francesco Geminiani: Neben Leopold Mozarts Violinschule, Giuseppe Tartinis Verzierungslehre, Carl Philipp Emanuel Bachs Kunst des Klavierspiels und dem "Versuch einer Anweisung, die Flöte traversière zu spielen" von Johann Joachim Quantz ist "The Art of Playing the Violin" von Geminiani das fünfte Grundlagenwerk für die informierte Aufführungspraxis barocker Musik. Geminiani, in Lucca geboren, machte nach Erfolgen in Italien seine Karriere vor allem in London und ließ sich nach 1732 in Dublin nieder, wo er 1762 starb. In sein Lehrwerk hat er 28 Übungen und zwölf knappe "composizioni" eingefügt. Letztere spielt Gottfried von der Goltz mit Mitgliedern des Freiburger Barockorchesters so sorgfältig und verzierungsbewusst, dass der stilistische Sinn und jeweilige Affektausdruck sehr verständlich wird. Wie nebenbei zeigt sich Geminianis zu Lebzeiten gerühmte Kunst überraschender Harmonisierung. (apartemusic)

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Der deutsche Geiger Tobias Feldmann, Jahrgang 1991, gehört zu jenen Musikern, die ihre große Begabung stetig und sensationsfern entfalten und so gleichsam organisch und zu Recht immer mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Nun hat er eine Debüt-CD vorgelegt mit Sonaten von Richard Strauss, Sergei Prokofjew und Maurice Ravel. Allerdings nicht die bekannte zweite, sondern die noch in Ravels Studienzeit bei Gabriel Fauré entstandene erste von 1897 in einem Satz. Dass sie Feldmann besonders am Herzen liegt, kann man hören, er spielt sie mit dem Klavierpartner Boris Kusnezow mit solcher Entdeckerfreude, solchem Spaß an Klangfarbenvaleurs und -nuancen, aber auch solcher geigerischen Verve, dass wirklich nicht zu verstehen ist, wieso dieses Stück so selten zu hören ist. Feldmann zeigt auch, dass die Sonate des jungen Strauss viel aggressivere Mittel in Ton, Ansatz und Geist verlangt; und Prokofjews zweite Sonate erst recht. Da braucht es scharfen Witz und melodiöse Ironie. Feldmann/ Kusnezow realisieren das. (Alpha Classics)

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Kammermusik ist für die meisten Komponisten die hohe Schule des Metiers: "eine geistige Disziplin und ein Schmelztiegel intensiver Emotionen", so Darius Milhaud. Milhaud hat neben 18 Streichquartetten nur zwei Streichtrios geschrieben. Das erste komponierte er 1947, ein fünfsätziges Stück, das, von Licht und Luft durchpulst, das Spiel der drei Streicher zu attraktivem Bewegungsreichtum herausfordert. Das renommierte Jacques-Thibaud-String-Trio (Burkhard Maiß, Violine; Hannah Strijbos, Viola; Bogdan Jianu, Violoncello) wird dieser höchst geistreichen, virtuosen, immer leichtfüßigen, aber nie leichtgewichtigen Musik glänzend gerecht, auch der dreisätzigen kurzen Sonatine à trois. Anders dagegen geht es in den beiden Streichtrios von Bohuslav Martinů zu, schwärmerisch, innig und kess im ersten von 1924, das übrigens erst 2005 wiederentdeckt worden ist. Kontrastreich, rhythmisch und klanglich effektvoll klingt das zweite von 1934. Die "Thibauds" bieten beide Stücke souverän. (audite)

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Diese CD ist eine anregende Stationenreise des Armida-Quartetts (Martin Funda, Johanna Staemmler, Violine; Teresa Schwamm, Viola; Peter Philipp Staemmler, Violoncello) durch eine der ehrwürdigsten satztechnischen Genres der europäischen Musik: durch die Fuge. Von den frühesten, die Valentin Haussmann um 1600 komponierte als zarte Kanonkunst, bis zur bis heute schockierenden Wucht von Ludwig van Beethovens Großer Fuge op. 133. Dazwischen macht das versierte, sehr auf Durchhörbarkeit der Stimmen bedachte Quartett Halt bei Alessandro Scarlattis Sonata a quattro Nr. 4, natürlich bei drei Fugen aus Johann Sebastian Bachs "Kunst der Fuge", sanft entwickelt zu Beginn, enorm gesteigert bis zu den jeweils Staunen erregenden Vernetzungshöhepunkten. Bei der Sonata des Bach-Schülers Johann Gottlieb Goldberg assistiert ein Cembalo (Raphael Alpermann), bei Wolfgang Amadé Mozarts Adagio und Fuge packt der herrische Ton, der dann bei Beethoven das ganze ungeheure Stück prägt. (Avi music)

© SZ vom 25.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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