Kindheit in Afrika:Wasser aus der Wüste

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Linda Sue Park: Der lange Weg zum Wasser. Bloomoon München 2016. 128 Seiten, 9,99 Euro. (Foto: verlag)

Linda Parks Roman über verlorene Kindheiten im Sudan: Der Junge Salva irrt durch Flüchtlingslager und findet in den USA eine neue Heimat. Er gründet eine Hilfsorganisation und verbessert damit das Leben der jungen Nya.

Von Regina Riepe

"Lauft weg, alle! In den Busch! Nicht nach Hause!" Die Stimme des Lehrers beendet die Kindheit des elfjährigen Salva. Im Südsudan herrscht Bürgerkrieg. Nun haben die Soldaten sein Dorf überfallen und es herrscht ein furchtbares Durcheinander. Eben noch stellte sich Salva vor, wie er nach Schulschluss nach Hause kommt und von seiner Mutter liebevoll mit einer Schale frischer Milch empfangen wird. Nun rennt er um sein Leben, einfach nur weg.

Berührend erzählt die Autorin die Geschichte von Salva, den sie persönlich kennengelernt hat. Er ist einer der "Lost Boys", der verlorenen Jungen, die in den Wirren des Bürgerkriegs im Sudan ohne ihre Familien auf der Flucht waren. Auf sich allein gestellt haben sie sich zu einem Flüchtlingslager in Äthiopien oder in Kenia durchgekämpft. Dabei waren sie Monate, oft Jahre unterwegs. Etliche wurden später von amerikanischen Familien aufgenommen.

Man kann sich kaum vorstellen, wie Salva den Marsch durch Wildnis und Wüste geschafft hat. Immer wieder schließt er sich Gruppen anderer Flüchtlinge an, die ihn allerdings nur widerwillig aufnehmen. Ein Elfjähriger ist eine Belastung, jemand der nicht so schnell laufen kann und mit dem man Essen und Wasser teilen muss. Doch dann trifft er seinen Onkel, einen früheren Rebellensoldaten, der schnell zum Anführer der Gruppe wird. Er kümmert sich um den Jungen und zeigt ihm, wie er Schritt für Schritt, von einem Tag auf den nächsten, überleben kann. "Aufgeben führt im Leben zu viel mehr Unglück als Durchhalten und Hoffen," lautet die Botschaft des echten, erwachsenen Salva an seine jungen Leser.

Doch es geht in diesem Buch nicht nur um Salva und seine Flucht aus dem Südsudan 1985. Parallel dazu erzählt die Autorin von Nya, einem elf Jahre alten Mädchen, das 2008 in einem Dorf im Südsudan lebt. Ihre Aufgabe ist es, Wasser für die Familie zu holen, jeden Tag, kilometerweit von einer schmutzigen Wasserstelle. Was diese beiden Menschen, Salva und Nya, miteinander zu tun haben, erfährt der Leser erst am Ende des Buches. Zwischendurch ist man versucht, einfach ein Kapitel zu überspringen, um schnell zu erfahren, wie Salva den Marsch durch die Wüste übersteht oder ob Nyas kleine Schwester im Krankenhaus gesund wird. Es ist ein literarischer Kunstgriff, die Geschichten Kapitel für Kapitel abwechselnd zu erzählen. So kann sich der junge Leser nach der Angst um Salva wieder entspannen, wenn in Nyas Dorf ein Brunnen gebohrt wird. Denn das verbindet die beiden Geschichten: Aus dem Flüchtlingsjungen Salva wird ein junger Mann, der eine Hilfsorganisation in den USA gründet und später überall im Sudan Brunnen bohrt. In seinem Heimatdorf genauso wie in Nyas Dorf.

Die Geschichte ist packend geschrieben, mit großer Sympathie für die Menschen im Südsudan. Auch wenn im Nachwort auf die Hilfsorganisation hingewiesen wird, sollte man das Buch als Chance betrachten, etwas über das Leben Gleichaltriger in einem afrikanischen Land zu erfahren. (ab 12 Jahre) Regina Riepe

© SZ vom 19.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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