Kinderbuch:Blick durch die Mauer

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Auf der Kinderbuchmesse in Bologna tritt Deutschland als Gastland auf, mit einer durchaus eindrucksvollen Präsentation von 30 Illustratoren. Gefeiert werden sollte "das kreative Potenzial der nächsten Generation im Dialog".

Von Roswitha Budeus-Budde

"Kunst und Kreativität machen nicht vor nationalen Grenzen halt . . ." Auf der Eröffnungsfeier der 53. Internationalen Kinderbuchmesse in Bologna - die vom 4. bis 7. April dauerte und auf der Deutschland zum ersten Mal als Gastland auftrat- fand Juergen Boos deutliche Worte. Der Direktor der Frankfurter Buchmesse, neben dem Goethe-Institut und der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen verantwortlich für den deutschen Messeauftritt, lobte Bologna als Treffpunkt junger Künstler aus aller Welt. "In einer Zeit, in der in Europa wieder über nationale Grenzen und Leitkultur diskutiert wird, präsentiert sich hier das kreative Potenzial der nächsten Generation im Dialog und in der Begegnung."

Der Auftritt des Gastlands Deutschland war durchaus eindrucksvoll. An hoch aufragenden Pappwänden gab es Arbeiten von 30 Illustratoren zu sehen, die auf dem Bilderbuchmarkt bereits erfolgreich waren oder als Nachwuchs von ihren Verlagen nominiert worden waren. Auf einem Büchertisch konnte man dazu in den Exemplaren etablierter deutscher Bilderbuchkünstler blättern. "Look" war das Motto der Ausstellungen, die Aufforderung genau hinzuschauen - man hatte anfangs den Eindruck, einer Mauer gegenüberzustehen, wenn man sich dann den Stellwänden näherte, merkte man, die Aufbauten bestanden aus Papprollen, durch die man von allen Seiten durchsehen konnte. Rollen, in denen Bilder und Plakate verschickt werden. Manchem Betrachter war das zu viel Symbolik, zu wenig leichte Eleganz und heitere Atmosphäre. Eine Metapher, dass Kunst Mauern durchbrechen kann.

Spannend waren die Besuche der Illustratorenschauen auch für die vielen Nachwuchskünstler aus aller Welt, die ihre Arbeiten an den Verlagsständen präsentierten. Unter ihnen wie jedes Jahr eine Gruppe der Studenten der HAW (Hochschule für Angewandte Wissenschaften) Hamburg, die mit ihrem Lehrer Bernd Mölck-Tassel an einer Gemeinschaftsarbeit der Kunstakademien von Bologna, Macerata, Urbino, Leipzig und Münster teilnahmen. Er schien nachdenklich, die Auswahl der großen internationalen Jahresausstellung schien ihm zu wenig innovativ, mit filigran gezeichneten kleinteiligen Welten, Stadtansichten, Landschaften.

An den deutschen Ständen wurden vor allem Bücher über und für Flüchtlinge diskutiert

Bologna ist auch immer die Messe der Diskussionen über neue Trends innerhalb der Kindermedienlandschaft. Ob an den Treffpunkten für Illustratoren, Autoren, Übersetzer oder digitale Medien - hier standen besonders Apps im Mittelpunkt -, jede Sparte zog mit einem eigenen breiten Programm die Fachleute an. Der Schwerpunkt der deutschen Diskussionsrunden waren Bücher über und für Flüchtlinge. In einem inzwischen breiten Angebot stellte sich bei manchen Titeln die Frage, ob der ästhetische Anspruch nicht zugunsten des Mitleidseffekts aufgegeben wurde.

Überraschungen gab es auch wieder bei den Preisen, die auf der Internationalen Kinderbuchmesse verliehen wurden. So bekam der berühmte italienische Belletristikpreis "Premio strega" einen Kinder- und Jugendbuchableger, den "Premio Strega Ragazze e Ragazzi". Kinder und Jugendliche aus 50 Schulen zeichneten Susanna Tamaro für "Salto Bart" und Chiara Carminati für die Kriegsgeschichte "Fuori fuoco" aus. Warum nicht auch ein Kinder- und Jugendbuch beim deutschen Buchpreis?

Große Überraschung und helle Begeisterung herrschte in der Gruppe der deutschen Illustratoren, als die IBBY (International Board of Books for Young People) den Hans-Christian-Andersen-Preis für Illustration - angesehen als der Kleine Nobelpreis für Kinderliteratur - an Rotraut Susanne Berner vergab. Als sechste deutsche Preisträgerin nach Erich Kästner, James Krüss, Klaus Ensikat, Wolf Erlbruch und Jutta Bauer wurde sie auf dem großen deutschen Messeempfang dann stürmisch gefeiert. Den Preis für den besten Erzähler erhielt der chinesische Autor Cao Wenxuan. Ausgezeichnet wurden gleichfalls eine Leseorganisation aus Iran und eine aus Laos. Der richtige Geldsegen, 580 000 Euro, den die schwedische Regierung mit dem Astrid Lindgren Memorial Award vergibt, ging über die englische Autorin Meg Rossow nieder, die mit ihren ungewöhnlichen Jugendbüchern auch in Deutschland viel Erfolg hat.

Werden nach dieser Messe die Bilderbücher deutscher Künstler im Ausland mehr Beachtung finden? Renate Reichstein, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen sieht eher für die hiesige Szene einen innovativen Schub. Und fordert, generell der Kinder- und Jugendliteratur mehr Chancen zu geben, besonders für die schwierige Gruppe der Jugendlichen die ausgetretenen Pfade zu verlassen und es den Lektoren zu ermöglichen, auch neue Autoren aufzubauen.

Auch dieses Jahr zeigte sich Bologna in heiterer Stimmung, feierte sich und die Kunst - ohne gesteigerte Sicherheitsmaßnahmen. Am Sonntag war die ganze Innenstadt großräumig für den Verkehr gesperrt, überall Tische und Stühle, Kaffeehausatmosphäre und offene Läden. Und als Überraschung kurvte an den alten Palazzi ein seltsames Gefährt vorbei, eine quietschbunte Bockerl-Bimmelbahn. Ein direkter Import aus einem der Badeorte an der deutschen Nordsee?

© SZ vom 11.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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