Kammerspiele:Legendärer Panzerkreuzer

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Orchester Jakobsplatz lässt Stummfilm erklingen

Von Dirk Wagner, München

Eigentlich wollte das 2005 von ihrem Dirigenten Daniel Grossmann gegründete Orchester Jakobsplatz München nur den 1923 gedrehten Stummfilm "Das alte Gesetz" von Ewald André Dupont in den Kammerspielen zur Aufführung bringen. Der jüngst aufwendig restaurierte Film wird noch vor seiner Premiere auf der Berlinale auf DVD erscheinen. Darauf ist dann auch das Orchester Jakobsplatz München zu hören, das den Soundtrack spielt. Dieser wurde vom französischen Komponisten Philippe Schoeller für die neu restaurierte Fassung geschrieben, nachdem keine Original-Musik zum Film überliefert ist. Mit dem neuen Soundtrack und den dazu gehörigen Bildern geht das Orchester Jakobsplatz München auch auf Europatournee. Statt aber nur am 12. April 2018 jenen Film über den Rabbinersohn Baruch in den Münchner Kammerspielen live zu vertonen, der gegen den Willen seines Vaters Schauspieler wird, regte das Stadttheater eine ganze Stummfilmreihe mit dem Namen "Flimmerkammer" an, die das Orchester Jakobsplatz München musikalisch belebt. Am 17. Januar spielt es zum Beispiel die Originalmusik von Josef Weiss, die dieser 1913 für Hanns Heinz Ewers´ Gruselfilm "Der Student von Prag" komponierte.

Wieviel Leben so eine Musik den Bildern einhaucht, war in den Kammerspielen zu erleben, als die erste Ausgabe der Stummfilmreihe am vergangenen Freitag den wahrscheinlich ersten Propagandafilm der Filmgeschichte zeigte: Panzerkreuzer Potemkin. Sergei Eisenstein drehte diesen 1925 in Gedenken an eine tatsächliche Meuterei auf dem russischen Kriegsschiff Knjas Potjomkin Tawitscheski im Revolutionsjahr 1905. Mit rasanten Schnitten und gigantischen Massenszenen.

Legendär ist allein schon die Treppenszene, wo Soldaten in Reih und Glied marschierend auf eine treppabwärts flüchtende Bevölkerung schießen. Dergleichen wurde in der russischen Originalversion von einem Potpourri aus Kompositionen von Beethoven und Tschaikowski musikalisch untermalt. Für die deutsche Fassung des Films, die der Regisseur und Kameramann Phil Jutzi 1926 anfertigte, schrieb der jüdische Komponist Edmund Meisel die Musik. Gängiger sei mittlerweile zwar die Fassung fürs große Orchester, bemerkt der Dirigent Daniel Grossmann in einer kurzen Einführung, die er der Filmvorführung voranstellt. Mit einem 15-köpfigen Ensemble bringt er aber die Originalversion für Salonorchester. Dass während einer entsprechenden Szene in der Partitur ein Trompetensignal mehr aufgeführt als im Film zu sehen ist, wenn dort also Trompeter der russischen Marine synchron zur Filmmusik blasen, irritiert ein wenig. Als wollte der Komponist so verhindern, dass Film und Ton sich zu realistisch ergänzen.

Weil beim Soundtrack aber das Zusammenspiel von Bild und Musik entscheidend ist, ein Trommelschlag also synchron zum gezeigten Stockhieb auf den Rücken eines Matrosen erklingt, muss solche Unvereinbarkeit dem Orchester eine besondere Herausforderung sein, die es letztlich aber auch meisterhaft löste. Selten klang nämlich ein Stummfilm ergreifender.

© SZ vom 11.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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