Kammermusik:Wir schaffen das

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Das Trio Zimmermann ist eines der allerbesten Ensembles der Welt. In München spielten F. P. Zimmermann, A. Tamestit und C. Poltera Schubert, Hindemith und Mozarts Divertimento KV 563 mit triumphalem Erfolg.

Von Reinhard J. Brembeck

Fast ein Krieg, zumindest ein handfester Streit ist es, den da die drei gut gelaunten Herren auf der Bühne des Münchners Prinzregententheaters in Szene setzen. Gab man sich gerade in den Anfangstakten von Wolfgang Amadé Mozarts Streichtrio KV 563 der Harmonie und Eintracht hin, so ist damit schnell Schluss. Der Tonfall wird schriller, die Gangart härter, der Egoismus ausgeprägter, die Differenzen schier unüberbrückbar - und die Einheit ist schwer gefährdet. Nicht mehr das "Wir schaffen das" wird da verkündet, sondern Einzelgängertum und Egoshooterei.

Streichtrio ist der Zusammenschluss von Geige, Bratsche, Cello und als solche eine prekäre Formation. Wo ein Streichquartett immer auch Überforderung und Betörung des Hörers leistet, ist das Streichtrio ganz der nüchternen Klarheit verpflichtet. Die Dreieinigkeit meint die größte denkbare Reduktion in der klassischen Musik. Deshalb sind die Anforderungen an den Komponisten immens: Nie darf ein Stück nach Notlösung oder dürftig klingen, immer muss im Intimen wie selbstverständlich das Symphonische durchscheinen.

Dieser Spagat ist Mozart in KV 563 so großartig gelungen, dass dieser eine dreiviertel Stunde lang dauernde Sechssätzer als Mount Everest unter den Streichtriostücken gilt, die legendäre Aufnahme von Heifetz / Primrose / Feuermann von 1941 hat diesen Rang für alle Zeiten zementiert.

Mit Geiger Frank Peter Zimmermann, Bratscher Antoine Tamestit und Cellist Christian Poltéra sitzen drei erfahrene Solisten und somit die Neuauflage jener alten Meistercombo auf der Münchner Bühne. Sie sind Männer der Mitte, Exzesse und virtuoses Blablabla sind ihnen fremd, sie sind aber auch romantische Träumer, die noch einmal die längst abgelebten Großzeiten der Streichtriokunst wiederbeleben. Zudem sind die drei Traditionalisten, denen die sperrigen Wahrheiten der historischen Aufführungspraxis suspekt sind. Weshalb ihre Mozart-Deutung die ebenfalls aus der Mode gekommene Kategorie des "Erhabenen" revitalisiert.

Die drei beleben die Großzeiten der Streichtriokunst wieder

Der Respekt vor der Partitur ist stets spürbar, wird aber immer durch kontrolliertes Musikantentum vorm bloß Akademischen bewahrt. So gelingt KV 563 ausbalancierter als das kompositorisch überambitionierte zweite Schubert-Trio oder Paul Hindemiths handwerklich zupackender Erstling. Mozart, ein glasklar konstruierender Analytiker, dringt immer wieder auf das Primat der kompositorischen Kalküls, dem sich Schönheit und Emotion zu fügen haben. Das zeigt das Trio Zimmermann auf, es unterwirft sich fast bis zur Selbstverleugnung der harschen Logik Mozarts. Geige und Bratsche betreiben dabei die Symbiotik des Elysischen, die manchmal nur durch gelegentliche Aufsässigkeiten des Cellisten ins Diesseits zurückgeholt wird. Und wenn nach den Zwistigkeiten im Kopfsatz von KV 563 wieder Ruhe einkehrt und der auf Ausgleich bedachte Ausgangszustand wieder hergestellt wird, dann ist das bei diesem Trio auch eine politische Aussage: Auseinandersetzung ja, aber wir werden das alles nur gemeinsam schaffen.

© SZ vom 23.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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