Justiz:Ein Bild ist kein Verbrechen

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Ein Gericht in Turin hat den Schriftsteller Erri De Luca freigesprochen. Er war angeklagt, weil er zur Gewalt gegen ein Bahnbauprojekt aufgerufen habe. Es gab kein Verbrechen, sagten die Richter.

Von Thomas Steinfeld

Am Montagabend wurde, nach einem aufsehenerregenden Prozess, der italienische Schriftsteller Erri De Luca, 65, von der Anklage freigesprochen, er habe zur Gewalt aufgerufen - gegen den Bau einer Eisenbahnlinie von nationaler Bedeutung, wodurch, so die Staatsanwaltschaft, die Sicherheit und das Leben der damit beschäftigten Arbeiter bedroht sei. Mehr als zwei Jahre war deswegen vor einem Turiner Gericht verhandelt worden, dem Autor hatten zunächst fünf Jahre und dann, nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft, acht Monate Gefängnis gedroht. Mehr als 500 Künstler und Schriftsteller, darunter Ken Loach und Salman Rushdie, hatten in den vergangenen Monaten eine Petition unterzeichnet, in der für Erri De Luca das Recht auf Meinungsfreiheit gefordert wurde. Er ist einer der beliebtesten und ein in viele Sprachen übersetzter Autor, der in seinen Büchern immer wieder das Italien der Arbeiter und kleinen Leute darstellte. Nach Bekanntgabe des Freispruchs wurde im Gerichtssaal gejubelt.

Im September 2013 hatte sich Erri De Luca in zwei Interviews gehen den Bau einer Hochgeschwindigkeitstrasse gewehrt, die in Zukunft Lyon und Turin miteinander verbinden und durch das Aosta-Tal führen soll. Der Neubau dieser Strecke ist aus ökologischen wie aus ökonomischen Gründen in Frankreich wie in Italien heftig umstritten, nicht zuletzt, weil dazu ein etwa fünfzig Kilometer langer Tunnel gehören müsste, der nur mit immensem Aufwand zu realisieren sei - bei wirtschaftlich zumindest unsicheren Aussichten. Erri De Luca hatte es in den beiden Pressegesprächen ein "nutzloses und schädliches Projekt" genannt. Es sei "legitim", darauf mit "Sabotage" zu reagieren. Auf diese Äußerung reagierte die italienische Justiz mit einem Aufwand, als verfolge sie ein Verbrechen der Mafia.

In der Folge ging es immer wieder um die Frage, ob das Wort "Sabotage" im buchstäblichen Sinne verstanden oder metaphorisch gedeutet werden könne. "Wenn das, was ich sagte, eine Verbrechen ist, werde ich es wieder sagen", sagte Erri De Luca vor dem abschließenden Gerichtstermin und fügte hinzu, er habe lediglich dazu aufgerufen, die Eisenbahngesellschaft daran zu hindern, die Gesundheit der Bevölkerung, die Erde und die Luft zu schädigen. Das Turiner Gericht begründete seine Entscheidung nicht, sondern gab lediglich bekannt, es habe das infrage stehende Verbrechen nicht gegeben.

© SZ vom 21.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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