Jugendliteratur:Warum gerade ich?

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Amanda soll Verantwortung übernehmen für den behinderten Mitschüler Lars. Das bringt sie in große Schwierigkeiten, nicht nur bei ihren Klassenkameraden, sondern auch bei ihrer ersten Liebe.

Von Martina Scherf

Amanda ist ein Teenager mit dem Herzen am rechten Fleck, aber ihr Herz ist in Aufruhr. Da ist Adam, ihr Klassenkamerad, für den sie leidenschaftlich schwärmt, doch der würdigt sie keines Blickes. Und da ist Lars, der Neue, ein Junge mit Down-Syndrom, um den sie sich als Patin kümmern soll. Amandas Gefühle fahren Achterbahn mit ihr, Liebe und Hass, Wut und Verzweiflung, Neid und Zuneigung - alles ist dabei, und die junge norwegische Schauspielerin Iben Akerlie lässt in ihrem Debütroman "Lars, mein Freund" ihre Leser anschaulich daran teilhaben. Als dann auch noch Mobbing dazu kommt, droht Amanda im Strudel der Ereignisse zu versinken - und bringt am Ende sehr viel Mut auf, um alles wieder gerade zu biegen.

Die Sommerferien sind vorbei, die Jungen und Mädchen sitzen zum ersten Mal wieder im Klassenzimmer. Amanda hat nur Augen für Adam, aber wagt es nicht, ihn anzusprechen, "warum ist es nur so verflixt schwierig, verliebt zu sein?" In stiller Verzweiflung quält sie sich, ein vorsichtiger Annäherungsversuch endet mit jämmerlicher Schmach. Dass die Klassleiterin ihr danach erklärt, sie sei "ungewöhnlich reif für ihr Alter" und deshalb ausgewählt worden, die Patenschaft für Lars zu übernehmen, vergrößert ihre Wut nur noch. "Warum gerade ich?" Andere kriegen einen süßen Erstklässler zugeteilt, und sie soll sich um einen gleichaltrigen Behinderten kümmern?

Sie mag keine Sonderrolle, fühlt sich überfordert - wie übrigens auch ihre Lehrer. Doch plötzlich ist mit Lars alles viel leichter als gedacht, sie besucht ihn zuhause, entdeckt seine Spielfreude und Fantasie. Bis zu dem Tag, an dem zwei Mitschülerinnen anfangen, ihn mit Handyfotos zu mobben. Anfangs verteidigt Amanda ihren neuen Freund, doch irgendetwas hält sie davon ab, sich an die Lehrer zu wenden. Hin und her gerissen zwischen Loyalität, Verantwortung und dem Bedürfnis, zur Clique zu gehören, stellt sie selbst ein paar Fotos von Lars ins Netz. Ist ja nur ein Klick mit dem Daumen. Die Folgen sind furchtbar. Nichts ist mehr wie zuvor. Fast scheint es, als hätte Amanda alles verloren: ihre beste Freundin, die ihr Verhalten nicht versteht, Lars sowieso, den Respekt der Lehrer - da entschließt sie sich zu einem außerordentlich mutigen Schritt. Und gewinnt am Ende sogar Adams Herz. "Ich wollte zeigen, dass man sich manchmal Herausforderungen stellen muss und als besserer Mensch daraus hervor geht", sagt die Autorin über ihre Geschichte, die so ganz aus dem Alltag gegriffen ist. Die Moral erklärt sich von allein. Norwegische Kinder haben Akerlies Erstlingswerk zum Kinderbuch des Jahres gewählt. (ab 13 Jahre)

Iben Akerlie: Lars, mein Freund. dtv, München 2018. 252 Seiten, 12,95 Euro.

© SZ vom 25.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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