Jugendkrimi:Im Visier der Geheimdienste

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Kevin Brooks: Travis Delaney: Was geschah um 16.08? Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn. dtv, München 2015. 320 Seiten, 14,90 Euro. (Foto: Verlag)

"Travis Delaney", eine Krimireihe von Kevin Brooks, in der ein Junge den Tod der Eltern aufklären will.

Von Siggi Seuß

Bei aller Tragik im Leben des Jungdetektivs Travis Delaney, um eines beneidet ihn der Rezensent. Der war als 13-Jähriger vom Attentat auf John F. Kennedy so schockiert, dass er ein Detektivbüro gründete und den Mord aufklären wollte. Leider fehlten ihm Kontakte zu gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen in der Geheimdienstszene, um der Wahrheit auch nur annähernd auf die Spur zu kommen.

Was der Hobbydetektiv damals zu wenig hatte, das hat der 13-jährige Travis aus einer fiktiven südenglischen Stadt zuhauf. Travis Delaney, der Ich-Erzähler, ist der Held in Kevin Brooks' neuer gleichnamiger Krimireihe, deren erster Band " Was geschah um 16:08?" eben erschien. Über Begegnungen mit gewöhnungsbedürftigen Gestalten konkurrierender Geheimdienste kann sich Travis nicht beklagen, egal ob sie vom britischen MI 5, MI 6, vom FBI, von der CIA oder von einer obskuren Gruppe namens "Omega" kommen. Travis' Großvater war einst Offizier beim militärischen Geheimdienst und betrieb später mit Sohn und Schwiegertochter eine kleine Privatdetektei. Schnüffeleien aller Art, wie die Überführung eines Gärtners, der aus einem Zierteich Koi-Karpfen klaute. Nichts Weltbewegendes. Bis zu dem Tag, an dem Travis' Eltern unter mysteriösen Umständen bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückten. Nichts mehr ist für den Jungen seither so, wie es war. Er lebt nun bei den Großeltern. Doch während der Großvater noch unter Depressionen leidet, lässt den Enkel die Frage nicht los, was mit seinen Eltern wirklich passierte. Wie ein Getriebener macht er sich auf die Suche nach den Hintergründen des Geschehens. Er tastet sich durch ein Dickicht aus Vermutungen, findet Spuren, die im Nichts zu enden scheinen. Nur eine Gruppe von Straßenkids aus einer benachbarten Sozialsiedlung und die attraktive Assistentin seiner Eltern greifen ihm gelegentlich unter die Arme.

Das desolate Milieu am Rande einer Großstadt, junge Menschen ohne Perspektiven, der morbide Charme von Wohnghettos, von heruntergekommenen Gewerbegebieten und von kleinen Refugien mitten in der Ödnis - das sind die Kulissen, die man aus den dunklen Geschichten Kevin Brooks' kennt und die auch den neuen Roman prägen. Dass der Autor nun aber, trotz der Tragik der Hauptfigur, eine Grundstimmung familiärer Geborgenheit in Szene setzt - sogar mit einer ironischen Note -, das ist neu. Brooks' Roman ist ein spannender Jugendkrimi, der - upgedatet auf heute durchaus vorstellbare Aktivitäten von Secret Services - die Fantasien junger Leser beflügelt. Er nützt das klassische Private-Eye-Motiv und kreiert ein Milieu, in dem sich auch Philip Marlowe und Sam Spade wohlgefühlt hätten. Er bringt Gegenwartskonflikte ins Spiel und konstruiert die Geschichte bis aufs i-Tüpfelchen nachvollziehbar und dramaturgisch stimmig. Und wiederum ist - auch dank Übersetzer Uwe-Michael Gutzschhahn - die nüchterne, aber eloquente Erzählweise Kevin Brooks' Markenzeichen. Nur über eines wundert sich der Jungdetektiv aus dem Jahr 1963: Wie, um Himmels willen, hält Travis diese tage- und nächtelangen Nonstop-Strapazen ohne Schlaf aus? (Ab 12 Jahren)

© SZ vom 14.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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