Jetzt im Kino:Große Köpfe

Der tolle Michael Fassbender, nicht zu erkennen als Bandleader "Frank", und in einem Dokfilm: die Jungs von der Polizeischule.

Die Filmstarts vom 27. August auf einen Blick, bewertet von den SZ-Kritikern. Rezensionen ausgewählter Filme folgen.

Anni Felici - Barfuß durchs Leben

Rainer Gansera: Rom, Sommer 1974, der Zeitgeist verkündet den Umsturz der bürgerlichen Ordnung. Verspielt, verträumt und mit feinnerviger Präzision beschwört Daniele Luchetti die eigene Kindheit, wenn er das Schicksal einer Künstlerfamilie schildert, Licht und Schatten. Die Eltern (Kim Rossi Stuart, Micaela Ramazzotti) kreiseln im Selbstfindungslabyrinth, und Martina Gedeck hat einen wunderbaren Part als raffinierte Verführerin.

Der Chor - Stimmen des Herzens

Tobias Sedlmaier: Ein vernachlässigt-vereinsamter Junge mit Aggressionspotenzial wird in François Girards Melodram auf ein Elitemusikinternat geschickt, wo er unter der Fuchtel des grimmigen, aber letztlich gerechten Chorleiters (Dustin Hoffman) zum Vorsänger reift. Die schön gesungenen Lieder übertönen eine platte Aufstiegsgeschichte, die sich allzu sehr auf undifferenzierte, emotionale Überwältigungsversuche verlässt.

Frank

Anke Sterneborg: Nachdem der Ire Lenny Abrahamson in "What Richard Did" die Fallstricke von kommerziellem Erfolg und künstlerischer Integrität im Bereich des Sports ausgelotet hat, verlagert er das Thema jetzt in die Musikszene. Der Clou dieses kleinen Indie-Juwels ist, dass Michael Fassbender sein berühmtes Millionen-Dollar-Gesicht nahezu den ganzen Film lang unter einer großen Pappmaché-Maske versteckt. Als Leadsänger einer experimentellen Band mit dem unaussprechlichen Namen Soronprfbs probiert er mal komisch, mal melancholisch, mal nachdenklich einen Balanceakt zwischen schräger Eigenwilligkeit und gefälligem Sound.

The Gallows

Doris Kuhn: Vier Schüler dringen nachts in ihre Highschool ein und wollen ein wenig Vandalismus verüben. Plötzlich sind alle Türen verschlossen und irgendwer macht Jagd auf sie. Die Frage, ob das ein Geist oder ein Psychokiller ist, tritt dabei schnell zurück hinter die Frage, warum die Regisseure Travis Cluff und Chris Lofing glauben, dass ein Found-Footage-Film keine logischen Zusammenhänge braucht.

Hitman: Agent 47

Doris Kuhn: Diese Verfilmung des Ego-Shooter-Spiels "Hitman" ist ein Verwirrspiel zwischen zwei gut aussehenden Bösen, von denen einer sich doch als Guter erweist. Seine Aufgabe ist es, ein Mädchen zu schützen und im Kampf unbesiegbar zu sein. Regisseur Aleksander Bach nähert sich formal der kühlen Eleganz des Computerspiels, inhaltlich dem Frauenrecht: Das Mädchen wird zwar vom Hitman behütet, aber gleichzeitig lernt es, einfach selbst unbesiegbar zu sein.

L'Chaim - Auf das Leben!

Karoline Meta Beisel: Chaim Lubelski war Hippie, Dealer, Jeanshändler und Schachprofi - aber als seine Mutter erkrankt, wird er mit 63 Jahren zum Vollzeit-Sohn. Regisseur Elkan Spiller hat seinen Cousin Chaim und dessen Mutter, die Schoah-Überlebende Nechuma Lubelski, über Jahre begleitet. Herausgekommen ist ein Porträt, das zeigt, wie die Aufarbeitung des Holocaust bis heute auch jene Generationen prägt, die damals noch nicht am Leben waren.

Lilien im Winter

Philipp Stadelmaier: Mark Dornford-May verlegt die Handlung von Puccinis "La Bohème" nach Südafrika, um auf die dort grassierende Tuberkulose aufmerksam zu machen. Statt Orchester spielen Marimbas, statt Italienisch wird auf Xhosa gesungen. Mitleidsfilm für Besitzer von Opern-Abos und Schulklassen - nicht aber für jene, die von einem Film mehr erwarten als ein wenig abgefilmtes Theater.

Das Märchen der Märchen

(Siehe Kritik nebenan.)

Staatsdiener

Martina Knoben: Wie werden Polizisten gemacht? Was lernen sie? Wie finden junge Männer und Frauen in die Rolle des Staatsdieners? Marie Wilke begleitet in ihrer Doku einige Studenten der Polizeischule während ihres ersten Lehrjahres und bei ihrem Praktikum auf Streife. Es ist ein Blick hinter die Kulissen, in bester Direct-Cinema-Tradition, nüchtern, aber scharf: Der tristen Realität von Hooligans oder häuslicher Gewalt sind am Ende nicht alle Nachwuchs-Polizisten gewachsen.

Straight Outta Compton

Jan Kedves: Der Musikfilm von F. Gary Gray erzählt die Geschichte von N.W.A, der ersten Gangsta-Rap-Crew aus L.A. Und zwar aus Sicht ihrer Ex-Mitglieder Ice Cube und Dr. Dre, die den Film koproduziert haben. Wie aus Wut über Polizeiwillkür und -schikane 1988 der legendäre Hit "Fuck tha Police" wurde, zeigt der Film detailliert und glaubwürdig. Dass der junge Dr. Dre auch gerne mal Frauen vermöbelte, erfährt man nicht. "Keep it real?" Na ja. (Siehe Feuilleton vom Mittwoch.)

Treffpunkt Erasmus

Tobias Sedlmaier: Werner Klemke (1917 - 1994) war vor allem als Grafiker und Buchillustrator in der DDR bekannt. Erst 2011 wurde durch einen zufälligen Fund entdeckt, dass er als Wehrmachtssoldat gemeinsam mit seinem Freund Johannes Gerhardt zahlreichen holländischen Juden mithilfe von Dokumentenfälschung das Leben rettete. Annet Betsalel geht in "Treffpunkt Erasmus" mit den Nachkommen der damals Beteiligten in Deutschland, Holland und Israel auf Spurensuche; entstanden ist ein sehr persönliches Familienporträt.

We Are Your Friends

David Steinitz: Was ein junger Mensch mit ein paar Dosen Red Bull und einem Macbook alles erreichen kann, zeigt uns dieser Musikfilm, in dem Zac Efron vom einfachen L.A.-Vorstadt-Kid zum Star-DJ aufsteigt und deshalb mit überzüchtet schönen Mädchen schlafen darf. Auf der Suche nach dem Zeitgeist der Streaming-Ära verheddert sich Regisseur Max Joseph in Marmeladenwerbungs-Moral und findet heraus: Es gibt keinen richtigen Remix im falschen.

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