Italien:Krieg gegen das Hässliche

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Giulio Tremonti. (Foto: Alberto Pizzoli/AFP)

Was passiert, wenn ein Kunstkritiker eine neue Partei gründet? Es wird ziemlich lustig.

Von Oliver Meiler

"Rinascimento", Renaissance also, ist ein hübscher Name für eine neue politische Partei. Ohne Zusatz klingt er ziemlich ungefähr, und das passt ja gut in diese Zeit. Was genau soll da wiedergeboren werden? Alles? Vergangene Woche traten in Rom zwei bekannte Persönlichkeiten vor die Presse, um ihr Sinnen nach einer Renaissance zu erläutern, die man nicht auf Anhieb für Gesinnungsverwandte hält. Einer ist Vittorio Sgarbi, Italiens bekanntester Kunstkritiker, Politiker und Autor. Er ist ein Polemiker und Choleriker vor dem Herrn, wobei bei ihm nie ganz klar ist, wie ernst er es meint, wenn er in Talkshows laut schimpft und Leute beleidigt. Die Italiener mögen ihn trotzdem, weil er ihnen in vielen Sendungen und Kolumnen die Schönheiten der Kunst auf verständliche, zuweilen auch prosaische Weise erklärt. Auf Facebook folgen ihm 1,7 Millionen Fans. Der zweite Mann ist Giulio Tremonti, ein nüchterner und etwas hochnäsiger Ökonom, früher superliberaler Superwirtschaftsminister in drei Kabinetten von Silvio Berlusconi. Tremonti hat nicht so viele Fans.

Die beiden gründeten nun also die Partei Rinascimento, mit der sie an den nächsten Parlamentswahlen teilnehmen wollen. Sagen sie. Das kann aber auch Klamauk sein. Tremonti glaubt, dass sie drei Prozent der Stimmen gewinnen können. Unmöglich ist das nicht. Das Vertrauen in die alten Parteien ist verschlissen, alles Neue klingt erst mal vielversprechend. Die Wahlen finden im Frühjahr statt. Sehr früh sind die Herrschaften nicht dran. Ein Logo hat die Partei aber schon. Es berühren sich darauf zwei Zeigefinger, ein Detail aus Michelangelos "Die Erschaffung Adams".

Im Kabinett: der Startenor Andrea Bocelli und der Fußballtorwart "Gigi" Buffon

Das Programm lässt sich so zusammenfassen: Was zählt, ist Schönheit. Die Schönheit der italienischen Städte. Die Schönheit der italienischen Künste. Die Schönheit der italienischen Küche, der Möbel, der Mode - und so weiter. Sgarbi findet, Italien mache zu wenig aus sich.

Käme Rinascimento an die Macht, würde die Partei als Erstes die Ministerien neu sortieren und alles dem "Primat der Schönheit" unterstellen. Dafür würden zwei Ressorts zusammengelegt, die noch nie kombiniert wurden: Finanzen und Kultur. Leiten würde es Giulio Tremonti. Sgarbi selbst hat sich ein gesamtes Kabinett ausgedacht. Seine Schwester Elisabetta, Leiterin des feinen Verlagshauses La Nave di Teseo, würde er zur Premierministerin machen, weil sie nun mal seine Schwester sei. Für den Tourismus wäre Startenor Andrea Bocelli zuständig. Gianluigi Buffon, Torwart von Juventus Turin und der Nationalmannschaft, bekäme das Sportministerium, weil er ja ohnehin bald nichts mehr zu tun habe. Die anderen Ministerien wären ähnlich fantasievoll besetzt. Das Landwirtschaftsministerium ginge beispielsweise an Carlo Petrini, den Erfinder von Slow Food. Für sich selbst, und das verwundert dann doch ein bisschen, sieht Sgarbi das Verteidigungsministerium vor.

Warum? "Ich bin bereit", sagt er, "die Armee zu mobilisieren, um unsere Kunstschätze zu verteidigen." Dem "Hässlichen, Unnützen und Idiotischen" soll dann endgültig der Krieg erklärt werden. Aber nicht dem Klamauk.

© SZ vom 16.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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