Internet:Nerdwriter

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Im Internet gibts nix Gescheites? Also bitte. Einfach mal auf Youtube nach Evan Puschak suchen und sich in sieben Minuten die Welt erklären lassen.

Von Jens-Christian Rabe

Wenn es um bewegte Bilder geht, halten viele das Internet für ein gigantisches intellektuelles schwarzes Loch. Aber das stimmt natürlich nicht. Die riesigen Funde aus dem intellektuellen Leben der vergangenen gut sechs Jahrzehnte, die man im Netz machen kann, kommen nur leider selten wirklich ans Licht. All die alten Fernsehinterviews mit Schriftstellern, die Vorlesungsmitschnitte, all die Debatten-Dokumentationen, Filmessays und die Video-Porträts bedeutender Künstler - all das ist in Unmengen verfügbar. Besonders auf dem größten und wichtigsten Videoportal Youtube.

Die millionenfache Aufmerksamkeit liegt dort aber bei den fleißigen populären Videobloggern, die lieber Kosmetik- und Modetipps geben, Computerspiele kommentieren, halsbrecherische Sportarten ausprobieren oder auf andere Art ein aufregendes zeitgenössisches Leben zelebrieren. Sucht man, nur mal so zum Spaß, nach Youtubern, die auch noch interessant sind, wenn das Bedürfnis nach Fassadenpflege und der dringendste Daddeldrang kurzzeitig gestillt sind, hat man es nicht leicht. Es sei denn, man stößt irgendwann auf den Youtube-Kanal Nerdwriter des Amerikaners Evan Puschak. Er ist nicht der einzige Youtube-Feuilletonist, aber ganz sicher einer der besten. Seit mittlerweile sechs Jahren stellt er einmal in der Woche einen Video-Essay online, der gar nicht erst so tut, als habe irgendwer noch die Nerven, erst zwei Gänge herunterzuschalten, um gemächlich einem Gedanken dabei zuzusehen, wie er sich entfaltet. Die nervöse Ungeduld des Nutzers als unhintergehbare Bedingung des Netz-Zeitalters wird hier nicht borniert geleugnet. Sie scheint dem in Los Angeles lebenden Evan Puschak eher eine selbstverständliche Herausforderung zu sein, deshalb erst recht besonders klug und unterhaltsam zu sein.

Und so liefert er sieben- his zwölfminütige Clips, die einem den Atem rauben. Darüber, wie Donald Trump Fragen beantwortet. Wie der Comedian Louis CK mit Sprache umgeht. Oder wie man den Hollywood-Film "Passengers" mit Superstar Jennifer Lawrence so umschneiden müsste, dass er am Ende ein wirklich guter Film wäre. Sagenhafte 1,5 Millionen Abonnenten hat ihm das nun schon eingebracht. 15 Millionen hätte er verdient. Mindestens.

© SZ vom 13.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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