Auch wenn im zeitgenössischen Jazz seit einiger Zeit zusammenwächst, was zusammengehört, nämlich alle Stile als Basismaterial, hat sich der Atlantik doch als gewisse Scheide erwiesen. Während die Amerikaner üblicherweise evolutionär an ihrer Tradition anknüpfen, werfen sich die wichtigsten jungen Vertreter des europäischen Jazz meist mit Macht und zunehmender Experimentierfreude auf die eigenen Volksmusiken , die eigene Klassik oder auch den Pop. Nicht so der Regensburger Saxofonist Tobias Meinhart. Er gehört zu der bis vor einiger Zeit führenden Schule derjenigen, für die der Bebop als klassisches Jazzgenre die Richtschnur ihrer Musik ist.
Konsequenterweise lebt Meinhart deshalb seit fünf Jahren in New York, genauer gesagt in dessen Jazz-Dorado Brooklyn. In einem Apartment mit "seinem" aus Spanien stammenden Pianisten Yago Vasquez übrigens, was die Bandarbeit ziemlich erleichtert. Bei seinem neuen Projekt "Natural Perception" hat Meinhart erstmals explizit für Trompete komponiert, denn mit von der Partie ist diesmal die kanadische Trompeterin Ingrid Jensen, eine seiner New Yorker Mentorinnen. Auch Jensen bewegt sich vorzugsweise im klassischen Modern Jazz, lange war sie unter anderem an der Seite des deutschen Saxofonisten Jürgen Seefelder zu sehen.
Auf "Natural Perception" führen die beiden ein dichtes Quintett-Spiel (neben Vasquez vervollständigen das der gefragte Bassist Phil Donkin und Schlagzeuger Jesse Simpson) an, das seine Wurzeln in den Sechzigern nicht verleugnet. Klassische "Modern Jazz"-Alterierungen, diatonische Linien, flirrende, hart synkopierte Melodiebögen bilden die Grundlage für diesen Neo-Bop, der freilich mehr auf Ensemblespiel als auf Soli setzt als früher üblich.
Tobias Meinhart & Ingrid Jensen: "Natural Perception" (Enja); live: Donnerstag, 5. Nov., 21 Uhr, Unterfahrt, Einsteinstraße 42