Hörbuch:Heiße Provinz

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Der 1932 erschienene Roman "Licht im August" ist einer von William Faulkners gewaltigsten und gewalttätigsten. Die Hörspielfassung Walter Adlers mit Ulrich Matthes und Tom Schilling trifft den Geist der Vorlage genau.

Von Florian Welle

Mit der fiktiven Kleinstadt Jefferson hat William Faulkner sein eigenes Südstaaten-Universum geschaffen. Fast alle seine Romane spielen dort, so auch "Licht im August" von 1932, einer seiner gewaltigsten und gewalttätigsten. Für ihn gilt, was der genaue Leser Wolfgang Koeppen in seinem Faulkner-Essay "Die Geburt der Tragödie aus den Sümpfen des Mississippi" feststellte: "(. . .) und immer drängt sich das Romangeschehen zusammen wie ein Drama in einer Theaterkulisse."

Zur Aufführung gelangen auf diesem mit biblischen Anleihen zuhauf versehenen Schauplatz - "Es lebte aber zu der Zeit in der Stadt. . ." - die immer gleichen Themen: Religion, Fanatismus, Rassismus, Gewalt, das Dampfen der Sexualität. Für diese hochexplosive Gemengelage gilt: "Im Menschen rumort die Angst vor seinem Schicksal. . ." Entfliehen kann man ihm nicht, seine Prägekraft ist sogar noch übermächtig, wenn nicht einmal sicher ist, ob das, was der Einzelne für seine ureigene Geschichte hält, der Wahrheit entspricht.

Der Findling Joe Christmas, eine der Hauptfiguren in "Licht im August", hat sich die rassistische Zuschreibung von außen, ein "Niggerbastard" zu sein, früh zu eigen gemacht. Obwohl seine Herkunft im Dunkeln liegt, ist sie Bürde. Weiß es wenigstens der Leser besser? Der Clou an Faulkners vielstimmigem, mit zahlreichen Vor- und Rückblenden arbeitendem Erzählen ist, dass auch er sich letzten Endes mit Andeutungen zufriedengeben muss und keineswegs schlauer ist als sonst irgendjemand im Roman.

Es gibt so gut wie keine positiven Gegenfiguren, männliche schon gar nicht

Es kreuzen sich die Erzählstränge, nahezu alle Figuren tragen sprechende Namen, von Joe Christmas bis Gail Hightower, und jeder redet und urteilt über jeden. Dabei sollte man wachsam sein, denn das Gedächtnis, so heißt es einmal genau in dieser Reihenfolge und ohne Kommas, "weiß erinnert glaubt". So liegt über dem gesamten Geschehen, in dessen Zentrum der Mord an Joanna Burden steht, der Schatten des Ungefähren, obgleich permanent vermeintliche Fakten wie Tages- und Uhrzeiten erwähnt werden.

Der Regisseur Walter Adler hat aus dem komplexen Roman nun ein Hörspiel in vier Teilen mit rund 70 Schauspielern geschaffen, das den Geist der Vorlage sehr gut einfängt. Von Beginn an gelingt es der Inszenierung, den Hörer in Faulkners sommerlich aufgeheizte Provinzwelt Anfang der Dreißigerjahre zu versetzen. Dazu genügen wenige bewusst gesetzte Geräusche wie zirpende Zikaden, das Schnauben einer Eisenbahn, das Mittagspfeifen des Hobelwerks. Hinzu kommt die Komposition von Pierre Oser. Sie versteht es, das Geschehen, wenn nötig, orchestral ins Epische zu weiten, um es dann durch verwehte Klänge einer Country-Gitarre wieder ins Kammerspielartige zu verengen.

Die Rollen sind stimmig besetzt. Ulrich Matthes fungiert als Erzähler, der in dieser Funktion den größten Part hat. Er spricht betont gelassen und ruhig und gaukelt uns so eine Distanz zur Handlung vor. Doch können wir uns ihm als objektiver Instanz wirklich anvertrauen? Tom Schilling schenkt Joe Christmas - "komischer Name", "komischer Kerl" - seine immer noch jugendlich wirkende Stimme. Eine Idealbesetzung, denkt man an seine Rolle als Niko im Film "Oh Boy", auch er ein einsamer Herumtreiber, wie hier sein Joe. Nur dass es in Joe wesentlich heftiger brodelt.

Es gibt so gut wie keine positiven Gegenfiguren, männliche gleich gar nicht. "Ihr Männer. Ihr verdammten Männer", heißt es ganz früh im Text. Nur Lena Grove - Grove wie der Hain - ist eine. Auf der Suche nach dem Vater ihres Kindes macht sie sich auf nach Jefferson. Yohanna Schwertfeger lässt in Lenas Stimme bei aller Gutmütigkeit etwas Beharrliches mitschwingen. Diese Lena geht ihren Weg, am Ende begleitet von dem Arbeiter Byron Bunch, den Matthias Bundschuh mit der nötigen Unsicherheit in der Stimme spricht.

Bunch ist Lena nicht ebenbürtig und gewinnt deshalb nicht ihre Liebe. Aber er ist ein genauer Beobachter mit Einsichten, die das Menschendrama, das sich hier abspielt, so zusammenfassen: "Als wäre das Ganze ein Theaterstück gewesen, in dem viele Leute mitgespielt hatten, und jetzt endlich hätten sie alle die Rollen, die ihnen zugefallen waren, zu Ende gespielt."

William Faulkner: Licht im August. Mit Ulrich Matthes, Yohanna Schwertfeger, Tom Schilling u. a. 8 CDs, ca. 446 Min. Hörbuch Hamburg, Hamburg 2018. 24 Euro.

© SZ vom 05.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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