Heldenanalyse: John McCain:"Rambo" will regieren

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Im Kopf noch in Vietnam: John McCain ertrug jahrelange Gefangenschaft und Folter. Er ist der moralische Sieger, der dennoch auf der Strecke bleibt.

Willi Winkler

Verlass mich nicht, mein Schatz", singt Tex Ritter im Soundtrack zu "Zwölf Uhr mittags", aber genau das passiert natürlich: Marshal Will Kane wird von allen verlassen. Keiner hilft ihm, keiner steht ihm bei. Der Held kämpft immer allein. Er folgt seiner Berufung. Weil der Dichter, der Drehbuchautor es so will, rennt er in sein Unglück und, wenn er doch Glück hat, in seinen Ruhm.

Er muss es allein tun: John McCain will ein Held sein. (Foto: Foto: Reuters)

John McCain ist so einer. Dem Sohn und Enkel von Admiralen war ein Leben beim Militär vorbestimmt, deshalb führte ihn seine Laufbahn nach Vietnam. Während andere (wie Bill Clinton) klüger waren oder (wie George W. Bush) besser verbandelt und sich vor dem Einsatz drücken konnten, folgte John McCain dem, was er den "Glauben meiner Väter" nannte.

Dieser Glaube hatte ihn zum Helden und im Zweifel zum Sterben bestimmt. Nur einmal, als er 1967 eine Explosion auf dem Flugzeugträger Forrestal überlebte, kommen ihm Zweifel an der Bestimmung. Nachdem er gesehen hatte, "was die Bomben und das Napalm den Menschen auf unserem Schiff antaten, bin ich nicht so sicher, dass ich noch irgendwas von dem Zeug auf Nord Viet Nam abwerfen will".

So zitiert ihn Uwe Johnson in seinen "Jahrestagen" (1970), und fährt fort: "Aber er hat es getan, und Radio Hanoi meldet seine Gefangennahme." Der Krieg selbst, das Napalm gegen die Zivilbevölkerung hätte ihn womöglich gegen diesen Krieg aufgebracht, aber nach dem Abschuss wird McCain zum Patrioten, und sein weiteres Leben nimmt diesen zwanghaften Verlauf.

Er will ein Held sein

Bei der Gefangennahme wird er von den Vietnamesen, die er umbringen wollte, fast totgeschlagen. Als sie merken, dass sie den Sohn eines Prominenten gefasst haben, bieten sie ihm die Freilassung an; er muss sich nur selber als Kriegsverbrecher anklagen. McCain weigert sich und wird geschlagen, gefoltert, gequält; er erträgt es, wochen-, monate-, jahrelang.

Er will keine verfrühte Freilassung, er will ein Held sein, wie sein Vater und sein Großvater, ein Held wie im Kino. Weil er ein Held ist, überlebt er fünfeinhalb Jahre Haft unter erbärmlichsten Bedingungen. Auf Kindergewicht abgemagert, kehrt er zurück nach Hause und wird, mit Unterstützung seiner zweiten Frau, Politiker.

Auch andere Kriegshelden sind in die Politik gegangen: Dwight Eisenhower, der Oberkommandierende bei der Landung in der Normandie, ebenso wie sein Nachfolger John F. Kennedy, der während seiner Amtszeit sogar einen Film ("PT 109") erleben durfte, in dem sein Einsatz im Krieg gegen die Japaner gefeiert wurde. John McCain ist anders; im Kopf bleibt er in Vietnam, und sein Krieg geht in den USA weiter.

1985, als McCain bereits zwei Mal als Vertreter Arizonas ins Repräsentantenhaus gewählt worden ist, erscheint ein Film, der die Story vom unbeugsamen Helden in den Rang einer legenda nera erhebt. "Rambo 2" verwandelte die Niederlage in Vietnam in eine Passions- und Heilsgeschichte. Sylvester Stallone spielt mit entblößter Brust einen im Felde unbesiegten Krieger, den die Regierung in Washington schmählich im Stich lässt. Viel redet er nicht, aber was er sagt, ist wie mit der Machete in den Dschungel gehauen: "Werden wir diesmal gewinnen?" Wenn einer den Krieg gewinnen kann, dann Rambo, der sich wie John McCain mit Anabolika aufführt.

"Rambo" ist John McCains Geschichte

Jahre nach dem Ende des Krieges gerät er noch einmal in die Hände der Schlitzaugen. Ehe Jesus in Mel Gibsons "Die Passion Christi" gequält und ans Kreuz geschlagen wurde, ist im Kino niemand so grausam gefoltert worden wie der Soldat John Rambo. Und doch widersteht er. Das glühende Messer, das ihm die Wange ritzt, spürt er nicht. An ein eisernes Bettgestell fesseln sie ihn und senden ihm Stromstöße durch den Leib. Er ergibt sich nicht.

Wie John McCain wird er an den Füßen gefesselt und am Hals gewürgt, damit er redet und Amerika schmäht. Er tut es nicht. Sie reißen ihm die Arme hoch und ziehen seinen nackten Leib nach oben, bis er wie der leibhaftige Jesus aussieht, aber er stirbt nicht. Ein Held stirbt nicht, ehe er seine Aufgabe erledigt hat. Rambo sagt Sätze, die das gekränkte Amerika der achtziger Jahre hören wollte. "Um den Krieg zu überleben, musst du selber Krieg werden."

Und so schlägt er zurück, tötet Peiniger und kann sich aus den Händen der Vietnamesen befreien. Als er in Sicherheit ist, erschießt er mit seinem Maschinengewehr die blinkenden Computer im eigenen Hauptquartier. Diesen Großcomputer bekämpft John McCain bis heute. "Rambo" ist die dramatisierte Geschichte John McCains, des Verlierers, der moralischer Sieger wird und dabei doch auf der Strecke bleibt.

Seit 26 Jahren ist er Abgeordneter und Senator in Washington, aber noch immer will er der Einzelkämpfer sein, der Held, der es mit dem Establishment aufnimmt und dabei die ganze Welt gegen sich hat. Der wahre Held ist ein Verlierer. Einer wie Will Kane, der in "Zwölf Uhr mittags" allein eine Stadt gegen die Banditen verteidigt.

Gary Cooper spielt diesen Will Kane mit einer lebensmüden Miene, die ihn heute um jede Rolle bringen würde. In "Zwölf Uhr mittags" denkt er nicht an sich, sondern an die Stadt, die er retten muss. So sehr er auch herumgeht und Mitstreiter sucht, er findet keinen einzigen. Er muss es allein tun. Nach vollbrachter Tat - die Banditen sind tot, die Bürger gerettet - fährt er fort. Am Ende reißt er sich den Marshal-Stern ab und wirft ihn den lieben Mitbürgern vor die Füße.

© SZaW vom 25./26.10.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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