Hauptstadtkultur:Weiter Streit ums Humboldt-Forum

Lesezeit: 2 min

Nach dem Ausstieg der Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy aus dem Expertenrat und ihrem Interview in der SZ rotiert die Kulturpolitik.

Von Jörg Häntzschel

In zwei Jahren soll im teilrekonstruierten Berliner Stadtschloss das Humboldt-Forum eröffnet werden, wo unter anderem Objekte aus dem Ethnologischen Museum und aus dem Museum für Asiatische Kunst gezeigt werden sollen. Konkrete Konzepte fehlen jedoch noch. Die Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy hat am Freitag in einem Interview mit der SZ scharfe Kritik an dem Projekt geübt. Zuvor hatte sie dessen Expertenbeirat verlassen.

Savoy berichtet, sie habe seitdem Dutzende Zuschriften teils namhafter Wissenschaftler bekommen: "Tenor: Endlich traut sich jemand, es zu sagen." Scharf zurückgewiesen wurde die Kritik in einer Stellungnahme der drei Gründungsintendanten, Neil MacGregor, Hermann Parzinger und Horst Bredekamp. Zu Savoys Vorwurf, es handele sich bei dem Beirat um eine "Pro-forma-Veranstaltung", es gebe keinen Austausch mit den Experten, erklärten sie, man stehe "selbstverständlich" in "kontinuierlichem Austausch". Auch Savoys Hinweis auf den Widerspruch zwischen dem rekonstruierten Schloss und seinem zukünftigen Inhalt wiesen sie von sich. Es handele sich nicht um "Geschichtsrevisionismus", das Ziel sei, "Geschichte in all ihrer Brüchigkeit sichtbar zu machen".

Darf man völkerkundliche Stücke ausstellen, wenn die Herkunft nicht geklärt ist?

Savoy hatte gesagt, man könne das Humboldt-Forum nicht eröffnen, ohne zuvor die Herkunft der Objekte zu erforschen, von denen viele während der Kolonialzeit nach Deutschland kamen. Die Ergebnisse müssten kenntlich gemacht werden. Die Gründungsintendanten erklärten dazu, "Provenienzforschung ist die DNA der Institution", und: "Es ist (...) klar, dass (...) zu jedem Exponat Grundinformationen zur Herkunft und Sammlungsgeschichte für den Besucher sichtbar sein werden."

Auf die Frage, ob die Provenienz an jedem Exponat kenntlich gemacht werde, hatte Parzinger im Mai allerdings geantwortet: "Nein, das ist ungeeignet." Geplant sei, die Provenienzen "an bestimmten Stücken mal exemplarisch aufzugreifen". Ein Kurator ergänzte, es gebe auf den Wandschildern "nur begrenzt Platz, um das zu beschreiben. Dann wäre der ganze Platz weg, wenn man sich nur mit der Provenienz beschäftigen würde." Es werde "wahrscheinlich nicht möglich sein, volle, kontextualisierte Geschichten über den ganzen Bestand der Exponate im Humboldt-Forum zu erzählen." Aber man versuche, "wo es wirklich wichtig scheint, diese Sachen aufzuklären".

Bredekamp zeigte sich am Freitag im Deutschlandfunk "entsetzt" über die Kritik der Französin. Es sei eine "pur deutsche Diskussion". Außerhalb Deutschland herrsche Begeisterung für das Projekt. Gefragt nach der Herkunft der Objekte, sagte Bredekamp: "Die Sammlungsgeschichte Berlin umfasst 460 Jahre, und in diesem Zeitraum hat es 34 Jahre Kolonialherrschaft gegeben. (...) Es ist ein Spiel (...), die Kolonialzeit in den Mittelpunkt zu stellen."

Dennoch gestand Bredekamp Schwierigkeiten bei dem Projekt ein: "Es läuft überhaupt nicht prima." Es sei "viel zu spät über die Programmatik und die Inhalte diskutiert worden". "Aber seit zweieinhalb Jahren wird in einer immensen Anstrengung versucht, das aufzuholen."

Das Bündnis "No Humboldt 21", ein Zusammenschluss von 80 Organisationen, begrüßte am Montag in einer Pressemitteilung Savoys Rücktritt als Beraterin. "Bénédicte Savoy gebührt Respekt." Die Aktivisten sehen in Bredekamps Äußerungen einen neuen Beleg dafür, dass "das staatstragende Top-down-Projekt an einer öffentlichen Debatte" nicht interessiert sei. Seine Bemerkungen zur Kolonialzeit seien "eines renommierten Historikers unwürdig". Sie beklagen auch fehlende Mittel für Provenienzforschung und die geringe Bereitschaft der Berliner Museen zu Restitutionen. "Bislang ist nicht ein einziges der fast 8000 menschlichen Gebeine, die für rassistische Forschungszwecke nach Berlin gebracht wurden, zur Rückführung vorbereitet worden.

© SZ vom 25.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: