Großformat:Weibliche Inszenierung als Protest

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Heute ist Jutta Koether eine bekannte Malerin. Doch in den Neunzigern gehörten Film, Musik und Popkritik genau so zu ihren Tätigkeiten. Mit diesem Plakat forderte sie ihre männlichen Kollegen im Kunstmilieu heraus.

Von Catrin Lorch

Kühl, abweisend, überlegen. Heute ist das eine vertraute Pose. Damals, Anfang der Neunzigerjahre, als Jutta Koether dieses Poster entwarf, war das Selfie aber noch nicht erfunden. Wer sich damals als Frau für die Kamera inszenierte, war entweder Künstlerin oder Feministin oder beides. Deswegen irritiert auch der Slogan: "Zerstörung des Zitats und sechs Stunden Schlaf. Das reicht." Das tiefe Rot, die großen Buchstaben - da schwingt durchaus etwas Kämpferisches mit. Aber die Aussage bleibt zweideutig. Reichen sechs Stunden Schlaf? Oder hat die Künstlerin genug davon, sich die Nächte um die Ohren zu schlagen? Ist es womöglich eine programmatische Forderung wie die der Schriftstellerin Virginia Woolf, nach der die Voraussetzung aller künstlerischen Arbeit "ein Zimmer für sich allein" ist? Rückblickend sagt Jutta Koether, dass das Poster, das 1990 als Teil einer Installation in der Kölner Galerie Jablonka gezeigt wurde, auch eine Reaktion war auf die unendlichen Serien von Ich-Postern, die der Künstler Martin Kippenberger auflegte. Und auf den damals schon erschlafften Kölner Hedonismus. Die 1958 in Köln geborene Jutta Koether war als Mitherausgeberin und Redakteurin des Popkultur-Magazins Spex Teil der Szene - auch ohne ein Atelier zu unterhalten. "Painter, Performer, Participant" genügte ihr lange als Tätigkeitsbeschreibung. Film und Musik waren genauso selbst- verständlich Teil ihres Werks wie Installation - oder eben Posterkunst. Inzwischen lebt Jutta Koether auch in New York und Berlin und ist als Künstlerin international hochgeschätzt. Vor allem ihre Malerei machte sie zum Vorbild für eine ganze Generation, die jetzt umgekehrt die Arbeit an der Staffelei als genau so relevant empfindet wie - ja - das Drucken von poetischer Propaganda.

© SZ vom 29.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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