Großformat von Liam Gillick:Europa: dumm, betäubt, pleite

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Liam Gillicks Europakarte (Foto: Liam Gillick)

In der politischen Großwetterlage prallen in diesem Sommer viele unterschiedliche Strömungen aufeinander. Der Künstler Liam Gillick hat sie in eine Karte übersetzt.

Von Catrin Lorch

Das politische Klima in diesem Sommer? Uneinheitlich. Was an Katastrophen, Entwicklungen und Entscheidungen durch die Nachrichten zieht, werde die politische Landkarte nachhaltig verändern, heißt es. Vor allem in Europa. Klima, Karten - wo Geschichte geschieht, fehlt es offensichtlich an Metaphern.

Der Künstler Liam Gillick, 1964 in Großbritannien geboren, hat für das Großformat in dieser Woche ein Bild entworfen, es zeigt die Umrisse von Europa und dem Mittelmeerraum. Titel: "I See That Iceland is Improving". Die Beschriftung irritiert. Dort, wo eigentlich die Namen der Länder stehen müssten oder auf Wetterkarten Windströmungen und Luftdruck markiert werden, liest man Begriffe, die Befindlichkeiten und Stimmungen bezeichnen.

Eine Momentaufnahme, ein Entwurf - der von Nicolaus Schaffhausen, dem Direktor der Kunsthalle Wien, angeregt wurde, mit dem Gillick, einer der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler, seit mehr als 25 Jahren zusammen arbeitet. Das bekannteste gemeinsame Projekt war die Verpflichtung des Briten für den Deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig im Jahr 2009, was damals noch einmal dezidiert das Konzept der nationalen Beiträge in Frage stellte.

Derzeit denken Schafhausen und Gillick über die für 2017 geplante Gruppen-Ausstellung "How To Live Together" nach - und die Karte ist ein erstes Resultat. Liam Gillick, der als Konzeptkünstler auch minimalistische Interieurs entwirft, mit Musik, Film, Fotografie und Text arbeitet, hat sich mit den Medien und dem politischen Tagesgeschäft übrigens schon ganz am Anfang seiner Karriere befasst: Zu Beginn der Neunzigerjahre besuchte er für die "Documents Series" gemeinsam mit dem Künstler und Fotografen Henry Bond Pressekonferenzen in London, sammelte Pressematerial ein, dokumentierte die Ereignisse.

Sein Großformat im Stil einer Infografik dreht die Perspektive wieder um: Mit dem Flickenteppich aus Wörtern stellt der Künstler Fragen an die Berichterstatter und die Politik.

© SZ vom 06.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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