Großformat:Original Gerhard Richter für 600 Mark

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Bevor der Künstler zum bedeutendsten Maler der Nachkriegszeit wurde, war auch er dankbar für kleine Auftragsarbeiten, wie dieser Brief an seinen Galeristen aus dem Jahr 1964 zeigt.

Von Catrin Lorch

Es gab eine Zeit, da war Gerhard Richter ein fast unbekannter junger Maler. Einer, der sich über einen Auftrag wie diesen freut: 600 Mark möchte der Sammler Willy Schniewind für ein Portrait von "Fänn Schniewind" zahlen. Rolf Jährling, der in Wuppertal die Avantgarde-Galerie Parnass betreibt, bittet Anfang Dezember 1964 den jungen Maler in einem kleinen Schreiben um Rückruf. Er kennt Gerhard Richter noch nicht lange - eigentlich erst seit dem Frühjahr. Da, so eine Anekdote, hätten vier Künstler vor dem Haus geparkt und eine Reihe Bilder im verschneiten Garten aufgebaut. Dann klingelten sie. Der erstaunte Galerist stand überrascht einer Gruppe gegenüber, die zu den einflussreichsten Kunst-Akteuren der Nachkriegszeit werden sollten: Gerhard Richter, Sigmar Polke, Manfred Kuttner und Konrad Lueg, der später als Galerist die Konzeptkunst durchsetzt.

Gerhard Richter, dessen Antwortbrief an den Galeristen hier als Großformat abgedruckt wird, gilt ein halbes Jahrhundert später als der bedeutendste Maler der Nachkriegszeit, weltweit. Mehr als eine Million Menschen sahen seine jüngste internationale Retrospektive, sein Werk wird von der Kunstgeschichte genauso gefeiert wie vom Kunstmarkt: Gemälde von Richter, vor allem frühere, erzielen zweistellige Millionen-Zuschläge auf internationalen Auktionen.

Den ganzen Brief und das Auftragsschreiben können Sie durch Antippen des obenstehenden Bildes betrachten. (Foto: sz)

Im Dezember des Jahres 1964 geht es allerdings um ein Geschenk. Jedenfalls verspricht der Maler "lieferbar bis Weihnachten", zumal ja "Sitzungen" nicht notwendig seien. Was er durch ein eingeschobenes "(nie! Da nur störend)" noch bekräftigt. Nebenbei erfährt man noch, dass Richter meist zwei Bilder malte, eins "für gut", eins zum Wegwerfen. Wer sich heute fragt, was diesen Künstler ausmacht, seinen beispiellosen Erfolg - dann ist es wohl die ungeheure Stringenz und Klarheit, mit der er sich durchgesetzt hat. Der freundlich-ironische, aber sehr verbindliche Ton. Die harte, aber nicht autoritär formulierte Haltung: "Wenn es geht, den Auftrag nicht mit der Forderung verknüpfen, das Bild 4 x neben oder übereinander zu malen. . . das habe ich mal gemacht und bin es so leid, denn das ist meist kaum mehr als dekorativ." Ein Seitenhieb auf Andy Warhols Siebdruck-Serien?

Solche spontanen Äußerungen werden mit den Jahren und dem Erfolg seltener. Wer so viel Erfolg hat wie ein Gerhard Richter, der wägt seine Worte ab. Lässt seine Bilder klug sein und hält sich zurück. Den jungen, schlagfertigen Richter, den entdeckt man im Archiv: Die beiden Briefe kamen mit den Unterlagen der Galerie Parnass ins Zentralarchiv des Deutschen Kunsthandels (ZADIK) in Köln. Wo auf mehr als 1500 Regalmetern Material von fast hundert Galerien, Verbänden, Messen, Sammlungen lagert - auch Kuratoren wie Kasper König übergeben ihre Akten der renommierten Einrichtung. Die sieht, wie Leiter Günter Herzog es beschreibt, das "Kunstsystem stets aus der Perspektive jener, die selbst prägende Elemente des Systems waren". Ob die Anekdote mit dem Auftritt im Vorgarten stimmt? Sicher: Im ZADIK sind die Fotos abgeheftet, die der überraschte Galerist Jährling mit seiner ultramodernen Minox machte. Und eine Abrechnung der vier jungen Künstler, die ordentlich die Kosten für Leihwagen und Benzin verbuchten.

© SZ vom 18.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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