Großformat:Leichtes Gepäck

Fußball? Bibel? Der Künstler Ibrahim Quraishi ließ sich von einigen Deutschen pantomimisch zeigen, was sie mit auf die Flucht nehmen würden. Praktisches wie "feste Schuhe" wählten die wenigsten.

Von Catrin Lorch

Was gehört in das persönliche Gepäck? Was würde man mitnehmen, auf eine Flucht? Solche Fragen waren Ausgangspunkt einer Performance, die Ibrahim Quraishi drei Monate lang in der Berliner Galerie Ascan Crone aufführte. Der 1973 in Nairobi geborene Künstler ließ insgesamt 55 Besucher wortlos antworten, sie alle führten vor seiner Kamera eine kleine Pantomime auf.

Wie in Berlin nicht anders zu erwarten, begegnete er dabei vielen internationalen Besuchern. Für dieses Großformat wurden allerdings nur Performer aus Deutschland ausgewählt, einem Land, das derzeit, was Flüchtlinge angeht, in der Rolle des Gastgebers ist.

Deutsche kennen solche Überlegungen eher als hypothetische Gedankenspiele: Welches Buch man auf eine einsame Insel mitnehmen würde, welches Utensil in einen Koffer packen. Offensichtlich kommen nur wenige der Befragten auf naheliegende, praktische Antworten: "Den Kompass" oder "feste Schuhe" oder "die Bibel", wie die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt antwortete. Man kann es sich offensichtlich leisten, ins Philosophische auszuweichen und hält sich an der "Zeit" fest (wie die Schauspielerin Sibel Kekilli) oder, wie der Wirt Leo Grünbaum, an der "Wahrheit". Ist es deutsch, seinen "abgewetzten Fußball" mitzunehmen und "Die erste Gitarre"? Weil der zweiten und dritten Nachkriegsgeneration die Kindheitssouvenirs überlebensnotwendiges Nostalgiegepäck sind? Oder ist es deutsch, all diese Entscheidungen sofort wieder zu hinterfragen?

© SZ vom 02.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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