Grossformat:Die Rebellin

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Amerikas Demokraten staunen über den Aufstieg der jungen Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez. Ein New Yorker Designteam hat eine ungewöhnliche Kampagne für sie entworfen.

Von Jörg Häntzschel

Ende Juni erlitten Amerikas Demokraten einen Schock. Die 28-jährige Alexandria Ocasio-Cortez stach bei einer Vorwahl in der Bronx und in Queens den etablierten Favoriten Joseph Crowley aus. Dieser hatte 3,4 Millionen Dollar für den Wahlkampf ausgegeben, sie 194 000. Nun wird die bekennende Sozialistin in der verunsicherten Partei als Shooting Star gefeiert und gefürchtet.

Dass eine junge, rebellische Kandidatin wie Ocasio-Cortez auch für ihre Wahlkampagne neue Formen und Stile finden musste, war klar. Dafür waren vor allem Maria Arenas und Scott Starrett von der New Yorker Design-Firma Tandem zuständig. Wir zeigen hier einige der Skizzen, die bei ihrer Suche nach einer visuellen Identität für die Kampagne entstanden.

Klar war den Designern anfangs nur, dass die üblichen Versatzstücke amerikanischer Wahlkampagnen in dem stark hispanischen Wahlbezirk 14 unbrauchbar sein würden: die Sterne, die Flaggen, die Linien, das Rot, Weiß und Blau. Stattdessen suchten sie anderswo nach Inspiration: Bei den Plakaten des legendären Arbeiteraktivisten Cesar Chavez etwa, einem der Mitgründer der Gewerkschaft United Farm Workers, der bis heute ein Held der amerikanischen Latinos ist. Ein Plakat, das ihn nach rechts oben sehend zeigte, überzeugte Arenas besonders: "Es sah aus, als blicke Chavez in die Zukunft, auf die positiven Veränderungen für die Community". Genau in dieser Pose zeigten sie dann auch Ocasio-Cortez.

Eine weitere Inspiration war die ikonische, hemdsärmelig-zupackende Plakatfigur Rosie The Riveter. Sie repräsentierte im Zweiten Weltkrieg jene Frauen, die anstelle der Männer in den Fabriken arbeiteten. Ocasio-Cortez zeigt zwar nicht ihren Bizeps, doch das satte, bei den Rosie-Plakaten entliehene Gelb zusammen mit dem komplementären Blau-Lila genügen, um die Assoziationen "selbstbewusste Frau", "Arbeitermilieu" und "gute amerikanische Geschichte" auszulösen. Auch profanere visuelle Quellen zapften die Gestalter an: Etwa die Werbeposter für Boxkämpfe, Gebrauchtwagenmärkte oder Volksfeste, die man in Amerikas spanischsprachigen Gegenden findet.

Interessant auch, wie die Designer mit dem Textwust umgingen. Den Endlos-Namen der Kandidatin bringen sie mit der Farb-Inversion und den spanischen Ausrufezeichen augenzwinkernd zum Knallen. Und aus dem Wust unvermeidlicher Informationen, die auch noch auf Englisch und Spanisch wiedergegeben werden mussten, machen sie eine vielstimmige, leidenschaftlichen Debatte auf dem Weg zu einem packenden Crescendo, in deren Mittelpunkt noch zuhörend, bald selbst die Stimme erhebend, Ocasio-Cortez steht.

© SZ vom 14.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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