Großformat:Bilder einer Legende

In den Siebzigerjahren entdeckte Fotograf Walker Evans die SX-70. Mit ihr hielt er sich und sein Werk am Leben. Seine unbekannten Polaroids sind eine Sensation.

Von Catrin Lorch

Der Mann war schon zu Lebzeiten Legende, auch wenn Fotografie Anfang der Siebziger noch nicht als Kunstform galt. Aber das New Yorker MoMA hatte Walker Evans schon 1938 als erstem Fotografen eine Einzelausstellung eingerichtet und ihn 1971 mit einer Retrospektive gerade wieder neu entdeckt. Vor allem seine Bilderserien, die während der großen Depression die Armut der amerikanischen Landbevölkerung zeigten, galten als kanonisch. Doch bis in die Gegenwart schien Evans es nicht geschafft zu haben. Hilton Kramer, der damals Hymnen auf Evans für die New York Times schrieb, konstatierte, Evans sei "nicht mehr imstande gewesen, seinem klassischen Œuvre viel hinzuzufügen".

Offensichtlich gehörte Kramer nicht zum engen Umfeld von Evans. "Ich habe ein Spielzeug entdeckt, die SX-70", sagte er in einem Vortrag am 8. April 1975, dem Tag vor seinem Tod. Die SX-70 war eine klappbare Kamera von Polaroid. Der alte Mann schätzte die unverbindliche Sofort-Bildtechnik. Er fotografierte damit vor allem Porträts, aber auch Schilder, Schaufenster, vernagelte Häuser. Die nach wenigen Minuten entwickelten Bilder stopfte er in seine Brusttasche und sortierte sie erst abends aus, die meisten wurden weder signiert noch betitelt.

"Der Hunger nach Sinnlichem, nach Erfahrungen hat ihn überhaupt noch am Leben gehalten in dieser Zeit", urteilt Heinz Liesbrock, Museumsdirektor in Bottrop, der für diesen Herbst eine Ausstellung zum Gesamtwerk von Walker Evans vorbereitet. Er wählte mehr als 30 Motive aus den 600 in der Yale University Art Gallery verwahrten Polaroid-Originalen aus. Die Aufnahmen für dieses Großformat sind noch nie veröffentlicht worden.

© SZ vom 16.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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