Giorgio Moroder:Der jüngste alte DJ

Lesezeit: 3 min

"Ah, Giorgio Moroder - der hat doch viel mit Dance und elektronischer Musik gemacht!" (Foto: Sony Music)

Giorgio Moroder über sein erstes Soloalbum seit dreißig Jahren, Lampenfieber und Erfolg.

interview Von Marcel Anders

Giorgio Moroder verpoppte und elektrifizierte in seinem Münchner "Musicland"-Studio den Disco-Sound der Siebziger, als Produzent von Donna Summers "I Feel Love" wurde er zur Legende. Sein neues Album "Déjà-vu" bewegt sich zwischen Disco und brachialem EDM-Sound. Ein großer Chart-Erfolg ist es bislang nicht, aber Moroder, der in Los Angeles lebt, ist als DJ gefragt. Gerade legte er beim Melt!-Festival in Sachsen-Anhalt auf, es folgen Termine in Rom, Stockholm und Helsinki.

SZ: "Déjà-vu" ist Ihr erstes Soloalbum seit 30 Jahren. Es war sehr still um Sie. Was haben Sie gemacht?

Giorgio Moroder: Hundert andere Sachen. Zum Beispiel einen Sportwagen entwickelt, einen wunderbaren 16-Zylinder. Wir haben acht Stück davon verkauft, aber dann gab es 1992 diese Wirtschaftskrise, die Firma ging pleite. Dann habe ich Kunst studiert und mehrere Ausstellungen gehabt. Ich hatte nie einen Manager, der mich gepusht hat - ich habe einfach alles auf mich zukommen lassen.

So wie den Anruf des Elektro-Duos "Daft Punk"? Mit denen kooperierten Sie 2013 für den Track "Giorgio by Moroder".

Genau, Daft Punk haben mich zurück ins Geschäft gebracht. Und kurz vorher hatte ich auch angefangen, als DJ aufzulegen. Vielleicht war es deswegen auch unvermeidbar, dass ich mal wieder eine neue Platte aufnehme. Wenn man als DJ immer nur seine alten Lieder spielt, kommt man ja nicht besonders weit.

Auf "Déjà-vu" singen viele junge Künstlerinnen aus dem Katalog Ihrer neuen Plattenfirma Sony mit - Charlie XCX, Mikky Ekko, Foxes. Zufall?

Ich glaube nicht, dass jemand nur mitgemacht hat, weil das Label darauf bestanden hat. Im Gegenteil, die schienen alle happy und neugierig zu sein: "Ah, Giorgio Moroder - der hat doch viel mit Dance und elektronischer Musik gemacht!"

Wie war es mit Britney Spears, mit der Sie den Suzanne-Vega-Klassiker "Tom's Diner" gecovert haben?

Das war Britneys Idee, sie rief bei der Plattenfirma an. Natürlich habe ich Ja gesagt. Denn es ist ein wunderbares Lied, und es ist eine Herausforderung, das zu covern, weil es nur aus A-cappella-Gesang besteht - und dazu kann man dann jeden beliebigen Akkord erfinden. Leider konnten wir den Song nicht zusammen aufnehmen.

Das heißt, es ist alles per E-Mail passiert?

Das meiste passiert heute per Mail, das ist einfach so.

Ist das der Hauptunterschied zu früher? Es geht zwar alles schneller, aber auch unpersönlicher vonstatten?

Unpersönlicher, ja. Aber schneller eigentlich auch nicht. Die meisten Sänger arbeiten heute mit ihrem eigenen "Vocal-Producer" zusammen, der allein für ihre Stimme da ist. Bei dem fühlen sie sich geborgener als bei jemandem wie mir, mit dem sie noch nie zusammengearbeitet haben. Sie nehmen ihre Stimme lieber allein im Studio auf - mit ihrem eigenen Team.

Das heißt, Sie können die Aufnahmen nicht mehr so kontrollieren wie früher, als Sie Donna Summer für "I Feel Love" in der abgedimmten Studiokabine zum lasziven Stöhnen brachten?

Ja, schlimm. Zum Beispiel beim Titelsong "Déjà-vu" mit der Sängerin Sia: Sie war absolut detailverliebt. Ich habe mich dann gar nicht mehr getraut, noch irgendwas am Mix zu verändern, weil sie ihn schon gut fand.

Was denken Sie, wenn Sie die heutigen Zahlen hören? Der aktuell erfolgreichste DJ der Welt, Calvin Harris, hat letztes Jahr 66 Millionen Dollar verdient.

So viel habe ich nie bekommen. Aber Calvin Harris tritt ja auch live auf - was ich früher nie getan habe. Er kann 200 000 bis 300 000 pro Abend verlangen, und er hat wenig Kosten. Er reist kurz vor der Show mit seinem Tonmeister, seinem Lichtmeister und seinem Memorystick an, er braucht keine Show, keine Outfits, nichts.

Ärgert es Sie, dass Sie früher nicht live aufgetreten sind?

Ich habe immer davon geträumt, leider war ich als Sänger nie gut genug. Ich habe immer die Texte vergessen, weil ich so nervös war. Umso schöner finde ich, dass ich heute als DJ auf der Bühne kreativ sein kann. Ich spiele nicht einfach nur meine Lieder, sondern lasse auf der dritten und vierten Spur auch noch Percussions und Effekte mitlaufen.

Schlimm, wenn das Album kein Erfolg wird?

Dann bin ich auch glücklich. Es wird vielleicht kein großer Erfolg, aber ein Erfolg wird es schon, allein aufgrund der vielen Vorbestellungen.

Ihr Album sollte eigentlich "74 Is the New 24" heißen - inzwischen sind Sie 75. Fühlen Sie sich wirklich so jung?

Ja. Je häufiger ich auftrete, desto jünger fühle ich mich. Nur eine Sache macht mir Angst: Ich musste neulich meinen Führerschein verlängern lassen. Der neue läuft bis 2020 - da bin ich dann 80. Und immer noch ohne Brille! Na ja, wird schon gut gehen.

© SZ vom 23.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: