Zadie Smith war bei ihren Schwiegereltern in Nordirland, als die Nachricht vom Brexit kam. Die britische Autorin hat danach erst mal geschwiegen - um jetzt einen fulminanten Text in der New York Review of Books zu veröffentlichen. Ein Text voller Wut auf die verantwortungslosen Politiker und den zynischen Medientycoon Murdoch, ein Text über die tiefen Gräben, die sich durch die Gesellschaft ziehen, der aber auch die Frage stellt, wie es dazu kommen konnte, dass die kosmopolitische Londoner Mittelklasse mittlerweile derart abgeschottet vom Rest des Landes lebt, und so selbstgerecht von der eigenen Meinung überzeugt ist, dass sie die Katastrophe nicht hat kommen sehen. Smith endet mit der folgenden Szene:
"Einige Tage nach dem Referendum bin ich nach Frankreich gefahren, um meine NYU-Studenten während ihres Paris-Aufenthalts zu unterrichten, etwas, was in naher Zukunft wahrscheinlich gar nicht mehr so leicht gehen wird. Vom Zug aus bin ich zu einem Mittagessen mit meinem Kollegen Aleksandar Hemon geeilt, der in Bosnien geboren wurde. Ich hatte mich kaum hingesetzt, da seufzte ich melodramatisch: "Der Brexit, ein totales Desaster". Wir Schriftsteller neigen nun mal zum Melodram. Hemon seufzte traurig lächelnd und sagte: "Nein. Einfach nur: ,ein Desaster'. Krieg ist das totale Desaster." Wenn man die Implosion Jugoslawiens miterlebt hat, dann rückt einem das die Maßstäbe zurecht. Die Erfahrung eines solchen Krieges ist Großbritannien jetzt über ein halbes Jahrhundert erspart geblieben. Die EU wurde ja teilweise genau deshalb gegründet, um derartige Kriege zu vermeiden. Wie weit wir diesen Weg, der in Richtung Desaster führt, weitergehen, liegt jetzt an uns."