Gehört, gelesen, zitiert:Identifikation

Der norwegische Schriftsteller Karl Ove Knausgård wurde nach seinen literarischen Lieblingshelden oder -schurken gefragt. Seine Antworten zeigen, dass man es mit dem Einfluss fiktiver Figuren auf das Leben auch übertreiben kann.

Auf die Frage der New York Times nach seinen Lieblingshelden und Lieblingsschurken in der Literatur antwortet der norwegische Schriftsteller Karl Ove Knausgård:

"Ich lasse mich gern führen, und mein Leben ist voller Romanfiguren, denen ich gefolgt bin. Die erste stammte aus einem Roman, den mir mein Vater zu lesen gab. Das Buch war in den Fünfzigern erschienen, und der Protagonist war ein Musterknabe - er hatte keinen Vater mehr, seine Mutter war krank und lag wahrscheinlich im Sterben, und er sorgte für sie. In der Schule wurde er von einer Horde schrecklicher, roher Kerle schikaniert. Es war alles so gemein und beeindruckte mich so stark, dass ich seinem Vorbild folgte und fromm wurde; ich kann mich erinnern, dass ich meine Freunde davon abbringen wollte, zu fluchen und Äpfel zu klauen. Zehn Jahre später las ich ,Weiße Nigger' von Ingvar Ambjørnsen. Der Protagonist rauchte ganz viel Haschisch, darum habe ich auch damit angefangen; in meinem verdrehten Teenager-Kopf war das ein Zeichen der Freiheit. Auch von der Liebe erfuhr ich zum ersten Mal durch eine literarische Figur; mit Leutnant Glahn, den Helden in Knut Hamsuns Roman ,Pan', begann ich sie zu begreifen. Ich las das Buch mit 16 und war davon regelrecht besessen. Eine Identifikation, die mir gar nicht gut bekam: Leutnant Glahn ist ein völlig auf sich bezogener Romantiker, ein Einzelgänger, der sich in den Fuß schießt, um die Frau zu beeindrucken, die er liebt. Ich hätte mir einiges ersparen können, wenn ich dieses Buch nicht gelesen hätte."

© SZ vom 22.08.2017 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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