Geburtstag:Ein Mann von Format

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Michael Blumenthal, 1926 in Oranienburg geboren, wurde nach einer Karriere in Politik und Wirtschaft, 1997 Gründungsdirektor des Jüdischen Museums in Berlin. (Foto: dpa)

Michael Blumenthal, der Gründungsdirektor des Jüdischen Museums in Berlin, feiert am 3. Januar seinen neunzigsten Geburtstag.

Von Stephan Speicher

Längst ist das Jüdische Museum eine Hauptattraktion Berlins mit rund 700 000 Besuchern im Jahr. Und wer langsam durch das Haus geht, der kann beobachten, dass die Besucher vielleicht aus dem Gefühl einer gewissen politisch-moralischen Verpflichtung gekommen (oder von ihren Lehrern hierherbugsiert worden) sein mögen, doch dass sie aus echtem Interesse bleiben. Das ist vielleicht das Schönste an diesem Museum: wie langsam die Menschen durch die Räume gehen, immer wieder stehen bleiben, weil sie es genauer wissen wollen. Von heute aus ist kaum noch vorstellbar, was für eine schwere Geburt dem voranging.

Das Stichwort hieß damals, im späten Westberlin und dann bis in die mittleren 1990er-Jahre, "integratives Modell". Das Jüdische Museum sollte Teil des Berlin-Museums sein, die Darstellung der jüdischen Welt integriert in die der Mehrheitsgesellschaft. Der Kampf um das richtige Konzept, um Unabhängigkeit oder Einfügung ins Berlin-Museum, wurde mit erheblichen Verletzungen geführt; es sah schon nach einem Desaster aus. Doch dann fasste man in Berlin den Entschluss, Michael Blumenthal zu verpflichten, und alles schien plötzlich wie von selbst zu gehen.

Michael Blumenthal ist ein Mann von einem in Berlin nicht gekannten Format. In Oranienburg 1926 geboren wuchs er auf in einer feinen, wenn auch zuletzt verarmten Familie, der 1939 gerade noch die Flucht nach Shanghai gelang. Nach Kriegsende ging Blumenthal in die USA. Er studierte Wirtschaftswissenschaften, wurde in Princeton zum Ph. D. mit einer Arbeit über die Mitbestimmung in der deutschen Stahlindustrie promoviert und begann eine staunenswerte Karriere in Politik und Wirtschaft. Er arbeitete für die Kennedy-Aministration und später drei Jahre als Finanzminister unter Carter, dann ging er in die Industrie zurück und fügte die Computer-Firma Unisys Corp. zusammen

Ein Mann dieser Statur kam wie gerufen, die verfahrene Lage des Jüdischen Museums zu klären. Die Berliner wussten, dass er ihre letzte Chance war und das wiederum wusste Blumenthal. Und in nicht mal vier Jahren brachte er das Unternehmen in Schwung. Er verhalf dem neuen Haus zur Unabhängigkeit, er schaffte Geld herbei und sorgte dann dafür, dass der Bund die Verantwortung übernahm.

Es war nicht allein sein Verdienst. Blumenthal hatte sein Amt gerade angetreten, da sprach er es aus, im Januar 1998: Die Idee eines bloßen Stadtmuseums, entwickelt im noch geteilten Berlin, sei "inzwischen von der neuen Hauptstadtrolle Berlins überholt" worden. "Alle sehen im Jüdischen Museum eine wichtige Institution für die gesamte Republik." Aber das macht den großen Mann aus, zu wissen, wann die Zeit reif ist. Blumenthal wusste es, und er holte die richtigen Leute, allen voran Ken Gorbey, der das Konzept der Dauerausstellung entwickelte. Von Museumsarbeit verstand Blumenthal nicht viel. Aber er wusste, was er nicht wollte, "eine professorale, wissenschaftliche Anstalt".

Inzwischen hat er die Leitung des Jüdischen Museums an Peter Schäfer abgegeben, unnötig zu sagen, dass er seinen Nachfolger selbst ausgesucht hat. Am 3. Januar feiert Blumenthal seinen neunzigsten Geburtstag. Er hat für die Bundesrepublik geleistet, was wenige geleistet haben. Mit seinen Worten: Er hat die Gelegenheit ergriffen, "etwas zu hinterlassen, was für immer da sein wird".

© SZ vom 31.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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