Geburtstag:Ballerina, Ballettchefin, Choreografin: Márcia Haydée wird 80

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(Foto: Getty Images)

Die Muse von John Cranko wird als "die Göttliche" gefeiert. Gerade hat sie ihren Vertrag als Ballettchefin verlängert.

Von Eva-Elisabeth Fischer

Gerade hat sie ihren Vertrag als Ballettchefin am Stadttheater in Santiago de Chile bis 2023 verlängert: Márcia Haydée Salaverry Pereira da Silva, geboren am 18. April 1937 in Brasilien, vertraut auf ein langes Leben. Ihre Urgroßmutter wurde 96, die Großmutter 100, die Mutter 97. Und dieses Leben dreht sich nach wie vor um den Tanz.

Im Jahr 1961 hatte Intendant Walter Erich Schäfer den südafrikanischen Choreografen John Cranko als Ballettdirektor engagiert. Und Haydée tanzte ihm vor. Damals noch lange kein Star, sondern als Absolventin der London Royal Ballet School auf der Suche nach einem Engagement. Sie war etwas pummelig, entsprach weder dem gängigen Schönheits- noch dem Ballerinenideal, ihr Kopf wirkte wie der eines Raubvogels mit riesigen schwarzen Augen. Doch die erste Begegnung im Ballettsaal war der Beginn einer kreativen Partnerschaft, die bis heute ihresgleichen sucht. Haydée wurde Crankos Muse. In der Arbeit mit dem Schöpfer des Stuttgarter Ballettwunders kam die große Balletttragödin und Komödiantin Márcia Haydée zum Vorschein. Denn Cranko schuf Rollen für sie, die Julia, Tatjana, Antigone, Katharina, die Seiten ihres Wesens herauskitzelten, die sie selbst nie für möglich gehalten hätte. Es waren jeweils die Krisenmomente ihrer Bühnencharaktere, die sie unvergleichlich und damit unvergesslich machten. Wie die Julia in "Romeo und Julia", mehr aber noch die Tatjana im "Onegin". Dann ihre Katharina in "Der Widerspenstigen Zähmung", die mit Witz ihr Dilemma zwischen vermeintlich weibchentypischer Folgsamkeit und Selbstbehauptung in einer abrupten Bewegung vereint: Sie fällt an der Hand ihres Petruchio in den Spagat mit aufgestellten Füßen. An ihrer Seite auch hier, wie ganze 16 Jahre lang, ihr (Lebens-)Partner Richard Cragun. Die Abbildung zeigt Márcia Haydée mit Anthony Dowell in "Song of the Earth" von Kenneth MacMillan im Jahr 1966.

Márcia Haydée übernahm 1977, vier Jahre nach Crankos frühem Tod und der wenig glücklichen Ballettdirektion unter Glen Tetley die Leitung des Stuttgarter Balletts. Sie versammelte noch andere Choreografen-Götter neben und nach Cranko um sich. Wie Hans van Manen und - natürlich - John Neumeier, der für sie die unsterbliche "Kameliendame" kreierte. Maurice Béjart aber war es, der 1982, als sie seine Greta Garbo tanzte, die treffende Beschreibung für sie fand: "Divine". Als Göttliche mit bewunderungswürdiger Bodenhaftung überdauerte sie ihre ersten nur teils glücklichen choreografischen Versuche in Stuttgart, auch ihren unfreiwilligen Abschied 1996. Als Göttliche wird sie in Stuttgart gefeiert werden am 29. April. Da ist Welttanztag und Márcia Haydée, die tatkräftige achtzigjährige Welt-Ballerina, die Krönung.

© SZ vom 18.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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