Friedrich Ani:Bleiben, wer man ist

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"Der Schauplatz ist Nebensache", sagt Ani, der in München lebt. Auch in seinem aktuellen Roman "Der namenlose Tag" ist er seiner Heimatstadt treu geblieben. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Der Münchner Schriftsteller im Gespräch über Spannung, Suhrkamp und die Schönheit des Strichpunkts im Kriminalroman.

Interview von Rudolf Neumaier

Der namenlose Tag" heißt der aktuelle Roman des Münchner Schriftstellers Friedrich Ani, 56. Es ist bereits sein dreißigster Krimi - und das, obwohl Ani erst seit 19 Jahren Bücher veröffentlicht. Anis wohl bekannteste Figur ist sein melancholischer Ermittler Tabor Süden. Im kommenden Februar erscheint der zwanzigste Süden-Roman bei Droemer Knaur, wo Ani bisher verlegt wurde. Inzwischen publiziert er beim Suhrkamp Verlag. Und nebenbei verfasst er Drehbücher, Erzählungen und Jugendliteratur, außerdem Gedichte und Hörspiele. Berühmt und preisgekrönt wurde er aber durch seine Kriminalromane.

SZ: Herr Ani, seit diesem Jahr sind Sie bei Suhrkamp . Was hat Sie zu diesem Wechsel bewogen?

Friedrich Ani: Für mich hat sich ein Traum erfüllt. Ich wollte schon immer zu Suhrkamp. Immer. Suhrkamp, das war für mich Thomas Bernhard, Samuel Beckett, Peter Handke. Schon vor vierzig Jahren wollte ich Suhrkamp-Autor werden.

Damals waren Sie aber erst 16 Jahre alt. Welche Bücher will man als 16-Jähriger für Suhrkamp schreiben?

Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Ich wollte erst zu Suhrkamp und dann schauen, was ich schreibe. Ich war dann schon Ende dreißig, als ich überhaupt mein erstes Buch herausbrachte. Manchmal erfüllen sich Träume doch noch. In den letzten Jahren gab es immer wieder Gespräche, aber es fügte sich halt nicht. Zuletzt hatte ich eigentlich gar nicht mehr damit gerechnet. Jetzt wechsle ich den Verlag nicht mehr.

Und wenn der Verlag sich von Ihnen trennen würde?

Dann würde ich nur noch für mich schreiben. Ich weiß, wie sich das anfühlt, ich habe es jahrzehntelang gemacht.

Steht man eigentlich unter Druck, wenn man bei einem neuen Verlag anfängt? Bei Fußballern ist das meistens so, wenn sie den Verein wechseln, wie Sie als Freund des Fußballsports wissen.

Als Schriftsteller lässt man sich nicht unter Druck setzen. Ich spüre hier die Devise von Siegfried Unseld, der sagte, er verlege keine Bücher, sondern Autoren. Wir sollen sein, wie wir sind. Es ist ja nicht so, dass ich sage, oh, jetzt bin ich bei Suhrkamp, jetzt schreibe ich einen Nebensatz mehr. Was ich allerdings wiederentdeckt habe und jetzt verstärkt einsetze, ist der Strichpunkt. Ich liebe dieses Satzzeichen.

Aber bitte, der Strichpunkt ist doch nichts Halbes und nichts Ganzes. Der gehört gnadenlos wegredigiert, in Ihrem Fall weglektoriert.

Auf keinen Fall! Der Strichpunkt ist absolut krimikompatibel. Er signalisiert kein Stopp, sondern nur etwas mehr als ein kurzes Innehalten; ein Innehalten im Weitergehen.

Ihr neuer Ermittler, der Ex-Kommissar Jakob Franck, erinnert ein wenig an Ihren alten Protagonisten Tabor Süden.

Finden Sie. Warum?

Er hört genauso gut zu.

Aber das ist doch das Kennzeichen aller guten Kommissare, dass sie gut zuhören. Franck ist ganz anders als Süden. Er hasst das Schweigen.

Neuer Verlag, neue Hauptfigur?

Ich hätte Süden mitnehmen können zum neuen Verlag, aber das wäre nicht sehr professionell gewesen. Außerdem erscheint bei Droemer noch ein Süden-Roman.

Der allgemeinen Brutalisierung der Krimi-Handlung verweigern Sie sich weiterhin. Warum kommen Sie noch mit Toten aus, die nur erhängt sind und nicht etwa durch zehn Giftfrösche und sieben Monsterhornissen hingemetzelt werden, während ein Betonmischer sie zerstückelt?

Neue Mordfantasien brauche ich wirklich nicht kreieren. Diese zunehmende Gemetzelhaftigkeit lässt mich kalt. Ich schaue mir Innenwelten an; der Mensch ist die Finsternis, da brauche ich keine Zerstückelungen. Es ist schlimm genug, was meinen Opfern passiert, auch den Tätern. Gleichgültigkeit, Einsamkeit - gibt es etwas Schlimmeres?

Dem Schauplatz Ihrer früheren Bücher sind Sie treu geblieben: München. Keine Angst vor dem Regionalstempel?

Natürlich habe ich überlegt, einen anderen Ort zu nehmen oder gleich einen fiktiven. Aber ich bin mir dabei blöd vorgekommen. Der Schauplatz ist Nebensache, wenn er überhaupt eine Rolle spielt. Auf die Sprache der Figuren kommt es an, die treibt mich um. Da ist es auch wurscht, ob der Roman als Krimi qualifiziert wird oder nicht. Hauptsache, ein Buch kommt heraus, mit dem ich einverstanden bin. Ich mag die Frage nicht, ob es sich um einen Krimi handelt oder um Literatur. Es ist, was es ist.

Würden Sie so weit gehen zu sagen, Sie schreiben Zeitromane?

Fast jeder Roman ist ein Zeitroman. Solange es Verlage gibt, die das gute Buch hochhalten, werden sich Kriminalromane im literarischen Kanon etablieren.

Allerdings gibt es im Krimi-Fach auch viel leichte Kost. Der aktuelle Trend ist, den Hauptfiguren irgendwelche Berufe zu verpassen, die mit polizeilicher oder detektivischer Ermittlungsarbeit nichts zu tun haben. Warum setzen Sie noch aufs Klassische?

Es gibt die kuriosesten Ideen. Hier deckt eine Hausfrau einen Mord auf, dort ein Friseur. Die meisten dieser Geschichten funktionieren tatsächlich. Das ist aber nur ein Trend, und Trends haben die Angewohnheit, dass sie irgendwann enden, und dann sind wieder neue Trends da. Mich interessiert so etwas wenig. Bei mir brauchen die Figuren seelische Tiefe, Abgründe, einen verschrobenen Schatten.

Haben Sie für Henning Mankell eine Kerze angezündet, als er starb?

Ja, in meinem Herzen. Er hat den Weg geebnet für das Genre des politischen Kriminalromans - manchmal auch mein Genre. Er war ein Autor mit Haltung. Bei einem Schriftsteller wie ihm schaut man, was man lernen kann. Und wie man die eigene Haltung straffen kann.

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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