Frankreich:Vorerst verhaftet

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Dem Islamwissenschaftler Tariq Ramadan werden Vergewaltigungen vorgeworfen.

Von Joseph Hanimann

Mit seinem Charisma, seiner Intelligenz und seiner Eleganz hat der umstrittene islamische Intellektuelle Tariq Ramadan bisher alle ihm gestellten Fallen umgangen. Der in Genf geborene Publizist und Islamwissenschaftler, Jahrgang 1962, ist in Frankreich gern als moralische Autorität aufgetreten. Nun aber scheint sein Stern zu sinken. Nach Anzeigen zweier Frauen im vergangenen Herbst wegen Vergewaltigung ist der Großenkel des Gründers der Muslimbrüderschaft in Paris nach zweitägiger Verwahrungshaft einem Richter vorgeführt worden. Das von den beiden Frauen - eine davon ist eine ehemalige Salafistin - beschriebene Vorgehen des Predigers deckt sich mit den Beschreibungen anderer Frauen, die von der französischen Polizei angehört wurden, aber keine Klage eingereicht haben.

Die Frauen werfen ihm vor, in Hotelzimmern sei nackte Gier und Gewalt zum Vorschein gekommen. Ramadan streitet dies ab, sieht dahinter nichts als neue Versuche einer Verunglimpfung seiner Person und seiner Religion. Nach der Konfrontation mit einer der beiden Frauen, die angeblich Einzelheiten wie etwa eine Narbe an einer verborgenen Körperstelle des Mannes nennen konnte, soll er sich am Donnerstag geweigert haben, das amtliche Protokoll zu unterschreiben.

Viele, die ihn als Intellektuellen bekämpfen, sehen sich nun im Verdacht bestätigt, Ramadan spiele ein doppeltes Spiel: nach außen hin umgänglich und maßvoll, im Grunde aber rücksichtslos. Sein Einfluss als moralischer Ratgeber und brillanter Diskussionsteilnehmer, der ihn zu einer wichtigen Figur des europäischen Islam machte und auch Nicht-Muslime faszinierte, bröckelt. Die Universität Oxford, wo er zeitgenössische Islamstudien lehrte, kündigte im November die "einvernehmlich getroffene" Aussetzung seiner Lehrtätigkeit an. Im Emirat Katar, das den Lehrstuhl finanzierte, gilt er als unerwünscht. In Paris, wo er noch ein Islamisches Institut für Ethik leitet, droht ihm nun ein Prozess wegen Vergewaltigung. Der Richter hat am Freitag ein Ermittlungsverfahren wegen Vergewaltigung angeordnet und den Verbleib in Untersuchungshaft verlangt.

© SZ vom 03.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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