Frankreich:Intellektuelle für Le Pen?

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Der provokationsfreudige Philosoph Michel Onfray fordert, radikal Linke wie Rechte sollten gemeinsam eine "Front der nationalen Befreiung" gründen.

Von Joseph Hanimann

Der Schulterschluss zwischen der französischen Linksfront und dem rechtspopulistischen Front National hat ein Gesicht gefunden, selbst wenn dieses eine Grimasse schneidet. Der provokationsfreudige Philosoph Michel Onfray verwahrt sich gegen den Vorwurf, durch seine politischen Stellungnahmen arbeite er der Front-National-Chefin Marine Le Pen zu. Nachdem er, der sich als libertärer Basissozialist versteht, die neuen Gender-Lehrprogramme in der Grundschule kritisierte, die sozialistische Regierung mit dem bürgerlichen Finanzliberalismus gleichstellte und erklärte, eine richtige These des radikalen Rechtstheoretikers Alain de Benoist sei ihm lieber als eine falsche vom halblinken Bernard-Henri Lévy, ist er nun einen Schritt weiter gegangen. Er begrüßte die Forderung des Wirtschaftswissenschaftlers Jacques Sapir, radikal Linke und Rechte sollten gemeinsam eine "Front der nationalen Befreiung" gegen den Euro aufbauen, in der auch der Front National seinen Platz hätte. Madame Le Pen nahm die Anregung erfreut zur Kenntnis. Viele im Land empören sich aber, diese Intellektuellen - zu denen manchmal auch der Philosoph Alain Finkielkraut oder der Demograf Emmanuel Todd gezählt werden - verliehen mit ihren Äußerungen dem Front National theoretische Würden. Er würde so wenig für Marine Le Pen wie für einen Politiker aus einer anderen Partei, sondern fortan gar nicht mehr stimmen, verteidigt sich jetzt Michel Onfray. Wenn der Front National ständig an Einfluss gewinne, sei das nicht seine Schuld, sondern die der Regierungssozialisten, die wie die Rechten sich vom Volk entfernten und seit der französischen Abstimmung über den EU-Vertrag 2005 dessen Willen in den Wind schlügen. Wenn Marine Le Pen sich in seinen Überzeugungen wiedererkenne, sei das Umgekehrte nicht der Fall. Und um dies unter Beweis zu stellen, kündigt der sensationshungrige Philosoph für Oktober eine große Veranstaltung in Paris mit Stargästen von Finkielkraut bis Régis Debray und Jean-Pierre Chevènement an.

© SZ vom 22.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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