Frankreich:Hysterisches Lachen

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Es gibt Streit um den Humor des Magazins "Charlie Hebdo". Ausgerechnet die Linken sind nicht einverstanden mit einer Satire zur Me-Too-Bewegung: Die Karikaturisten hatten den muslimischen Prediger Tariq Ramadan mit steifem Penis dargestellt.

Von Joseph Hanimann

Sie machten mit alten Instrumenten viel Lärm, sagte Emmanuel Macron kürzlich lakonisch über die Intellektuellen und ihren Hang zur Polemik. Dasselbe gelte auch über die Begabung linker Karikaturisten und Journalisten, zu allen Themen alte Lieder abzusingen. Der Schlagabtausch zwischen Charlie Hebdo und dem Enquete-Internetmedium "Mediapart" begann als eine interne Affäre linker Randgruppen: Das Satireblatt stellte im Zug der "Me Too"-Bewegung den der sexuellen Belästigung angeklagten muslimischen Prediger Tariq Ramadan mit steifem Penis dar und dem Kommentar: "Ich bin die 6. Säule des Islam". Prompt gingen neue islamistische Morddrohungen gegen die Zeitung ein. Vertreter einer "anderen" Linken drückten ihre Bedenken aus.

Eine Woche später nahmen die Zeichner von Charlie Hebdo sich auf dem Titelblatt den linken "Mediapart"-Direktor Edwy Plenel vor. Er hat vor drei Jahren ein Plädoyer "Für die Muslime" veröffentlicht und trat gelegentlich als Apologet von Ramadan auf. Zu sehen war er im Blatt nun mit verschlossenen Augen, Ohren und Mund unter dem Titel: "Enthüllung von Mediapart: Wir wussten von nichts". Das sei eine gehässige Kampagne gegen ihn und den Enthüllungsjournalismus, erklärte Plenel. Der Streit ist ein Konflikt zwischen einer satirischen Anarcho-Linken und einer moralischen Linken der multikulturellen Toleranz. Der einen ist jedes Thema recht für den Spott, religiöse Themen reizt sie mit kämpferischem Laizismus besonders gern aus. Die andere sieht dahinter nichts als Nihilismus: Man könne, so Plenel, in der Debatte nicht alles zur Lachnummer machen.

Eitel bleibt dieser Streit zwischen links und links vor allem durch die politischen Hintergedanken mancher Zuschauer und Mitspieler. Die Rechtspopulisten vom Front National, die zu den Charlie-Witzen sonst selten lachen, sind diesmal sichtlich entzückt. Doch auch der ehemalige Premierminister Manuel Valls, der heute an der Seite von Macrons "La République en Marche" im Parlament sitzt, sucht über das Thema der angeblich antisemitischen "Islamo-Gauchisten" sich politisch wieder ins Spiel zu bringen. Beim Austeilen der Schläge wirkt er eifrig mit, obwohl sein Temperament etwa so gut zur Satire passt wie ein Tranchiermesser. Die ursprüngliche Frage der Frauenbelästigung geriet bei alldem ganz aus dem Blick. Zwischen humoriger und moralischer Rechthaberei wird so heftig gestritten, dass manche aus dem Lager Macrons den Präsidenten zum Einschreiten drängen. Hysterie sei der schlimmste Feind für das französische Modell von säkularer Öffentlichkeit, warnen sie, und auch das Lachen könne hysterisch sein.

© SZ vom 22.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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