Foreign Affairs-Festival:Viel Lärm um alles

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Das Festival eröffnet mit einer Materialschlacht, die auch Shakespeare nicht verschont.

Von Mounia Meiborg

In Berlin hat man noch Geld für Theaterfestivals. Bei "Foreign Affairs", dem Sommerfestival der Berliner Festspiele, werden echte Superlative geboten. Alle Shakespeare-Dramen in nur 40 Minuten! Das Beste aus 30 Jahren Performance-Arbeit! Und: eine 24 Stunden lange Tanz-Theater-Kunst-Installation von Jan Fabre, die "Mount Olympus" heißt und verspricht, Theater zu einem Ausnahmezustand zu machen, "ganz wie damals in Athen". (Siehe "Verflucht sei der Mensch")

Zur Eröffnung des Berliner Spektakels waren zwei Veteranen der internationalen Performance-Szene eingeladen, die " Needcompany" und " Forced Entertainment". Die Ergebnisse entsprechen in etwa dem, was der polnische Avantgarde-Regisseur und Theater-Theoretiker Jerzy Grotowski in den 70er-Jahren einmal als reiches und armes Theater bezeichnete.

Ein Performer sitzt an einem Tisch. Er erzählt von Schlachtfeldern und Intrigen, von kampfgeilen Männern und ruhmsüchtigen Müttern; die Handlung von "Coriolanus". Jerry Killick stellt die Figuren mit Haarspraydosen, Spülschwämmen und Kaffeekannen nach. Forced Entertainment haben vor langer Zeit vom britischen Sheffield aus das postmoderne Theater miterfunden, auch mit ihren ausufernden durational performances. Jetzt fassen sie sich kurz: In "Complete Works: Table Top Shakespeare" widmen sie jedem der 36 Shakespeare-Dramen eine Miniatur. Über weite Strecken ist das eine charmante Inhaltsangabe. Und ab und zu stellt sich eine kindliche Freude darüber ein, dass einem jemand eine Geschichte erzählt, mit nicht viel mehr als seiner Fantasie.

Ganz anders auf der großen Bühne. Die Needcompany aus Belgien ist angereist und mit ihr offenbar ein ganzes Arsenal von Scheinwerfern, Kostümen und Leinwänden. "The Time Between Two Mistakes" heißt der Abend, mit dem sie - nach dreißig Jahren gemeinsamer Arbeit - noch einmal über die Entstehung ihrer Kunst nachdenken wollen.

Kunst, das sei der Moment zwischen zwei Fehlern, heißt es anfangs. Und so zeigen sie, wo das Theater herkommt (rituelle Tänze), wo es vielleicht hingeht (Hochglanz-Shows) und was dabei alles schiefgehen kann. Zum Beispiel, wie man einen Abgang versaut: Man bleibt mit einem überdimensionierten Barockkostüm im Türrahmen stecken. Oder wie man Zuschauern auf die Nerven geht: Einfach zehn Minuten lang denselben salbungsvollen Satz sprechen.

Das Theater wird in seine Bestandteile zerlegt. Nach und nach führen die 18 Performer vor, was man mit den einzelnen Parametern (Licht, Ton, Text, Bewegung, Video) und Gestaltungsprinzipien (Wiederholung, Varianz, Kontraste) des Theaters alles machen kann.

Es ist ein Sinnesrausch. Inhaltlich allerdings kommt es über eine Nähkästchen-Plauderei aus dem Leben einer erfolgsverwöhnten Performance-Gruppe nicht hinaus. Die Darsteller erzählen, was sie alles für ihr Publikum tun. Hosen runterlassen, schreien und vor allem: immer schön die Perspektive wechseln. Nicht immer ist klar, ob das noch lustig ist oder schon eitel.

Einmal aber versammeln sich alle um den Flügel wie um ein wärmendes Lagerfeuer und singen ein schlichtes Lied. Da ist er, der kurze Moment zwischen zwei Fehlern. Der Rest ist Aufwand.

© SZ vom 01.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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