Flüchtlingsgeschichte:Camp der Rohingya

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Das Schicksal von Kindern steht im Mittelpunkt dieser Geschichte über das Leben der aus Myanmar vertriebenen Volksgruppe der Rohingya. Sie vegitieren unter unmenschlichen Zuständen in einem australischen Camp.

Von Hilde Elisabeth Menzel

Zana Fraillon: Wenn nachts der Ozean erzählt. Aus dem Englischen von Claudia Max. cbt Verlag, München 2017. 56 Seiten, 16,99. (Foto: Verlag)

Eine verlassene Minenstadt in der australischen Wüste, grausame Zustände in australischen Flüchtlingscamps. Natürlich kann man argumentieren, dass wir in Europa Probleme genug haben mit unseren Flüchtlingen aus Syrien und Afrika. Warum sollten wir uns dann noch für australische Lager interessieren, in denen Flüchtlinge aus dem Volk der Rohingya auf menschenunwürdige Weise auf verlassenen Inseln oder in unbewohnbarer Wüste weggesperrt werden? Doch zum einen ist es wichtig, dass mit einer solchen Geschichte auf den hierzulande viel zu wenig bekannten Völkermord an der muslimischen Minderheit der Rohingya in Myanmar aufmerksam gemacht wird. Und zum anderen ist es der australischen Autorin auf berührende Weise gelungen, mit der Geschichte des Kindes Subhi zu zeigen, dass Kinder auch unter unvorstellbar trostlosen Umständen überleben können, wenn sie Freundschaft erleben und sich die Kraft der Fantasie bewahren können.

Der zehnjährige Icherzähler Subhi ist im Camp geboren, im Gegensatz zu seiner älteren Schwester Queenie. Er glaubt, dass der Vater irgendwann nachkommen wird, aber später muss er erfahren, dass er ermordet wurde. Die Mutter dämmert vor sich hin, isst kaum noch und wird immer schwächer. Sie leben unter unvorstellbar primitiven Verhältnissen in Staub und Dreck in großer Hitze. Subhi träumt vom Meer und lebt in seiner eigenen Fantasiewelt. Er hat einen älteren Freund, Eli, dessen Familie ermordet wurde und der allein im Camp ist und sich mit kleinen Geschäften am Leben hält.

Auf der anderen Seite des Zauns lebt Jimmy mit ihrem älteren Bruder Jonah und ihrem Vater in einer aufgelassenen Minenstadt. Ihre Mutter ist vor drei Jahren gestorben, und Jimmy ist viel allein, denn seit die Minen geschlossen wurden, muss ihr Vater jede Arbeit annehmen und kommt selten nach Hause. Und weil ihr Bruder sie oft nicht zum Schulbus fährt, geht sie nur unregelmäßig zur Schule.

Jimmy ist neugierig, wie die Menschen hinter den Zäunen des Camps drunten im Tal leben und findet eine Schwachstelle heraus, wo sie unter den Zäunen hindurchschlüpfen kann. Und so taucht sie eines Tages vor Subhi auf und fragt ihn aus. Zwischen Jimmy und Subhi entwickelt sich eine innige Freundschaft, und Jimmy erzählt Subhi vom Leben jenseits des Zaunes. Eines Tages bringt sie eine Taschenlampe mit und zeigt ihm, wie sie sich damit Lichtzeichen schicken können. Was sich als lebensrettend herausstellt, als sich Jimmy sehr krank fühlt und Subhi mit letzter Kraft das Notzeichen schickt und es ihm gelingt, Hilfe herbei zu rufen. Im Camp hatten inzwischen einige der Männer zu einem Hungerstreik aufgerufen, und die Stimmung war immer explosiver geworden. Als ein Feuer ausbricht, gerät alles außer Kontrolle, und Subhi muss mit ansehen, wie sein Freund Eli erschlagen wird.

Zana Fraillon hat ein Kinderbuch geschrieben, und sie lässt ihre Geschichte für Subhi und seine Familie hoffnungsvoll enden. Nach dem Aufstand kommen Hilfsorganisationen ins Camp, und die Umstände des Aufstands und der Mord an Eli sollen mit Subhis Hilfe aufgeklärt werden. Auch für Jimmy gibt es ein Happy End. Sie wird gesund, und ihr Vater findet eine Stelle als Hausmeister an ihrer Schule.

Wir, die Leser im fernen Europa, haben durch diese Geschichte von einer besonders grausamen Variante der weltweiten Flüchtlingstragödie erfahren, die wir nicht einfach ignorieren können. (ab 12 Jahre)

Zana Fraillon: Wenn nachts der Ozean erzählt. Aus dem Englischen von Claudia Max. cbt Verlag, München 2017. 56 Seiten, 16,99.

© SZ vom 26.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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