"Filmtonart"-Kongress:Geliebte Komplizin

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Gefährlicher Sound: Sonne (Frederick Lau) trifft Victoria im Club. (Foto: Senator)

Der Schauspieler Ulrich Tukur und der Victoria-Regisseur Sebastian Schipper sprechen bei einem Kongress über Musik.

Von Anna Steinbauer

"Und wenn's so richtig Scheiße ist, dann ist wenigstens noch die Musik da. Und an der Stelle, wo es am allerschönsten ist, da müsste die Platte springen, und du hörst immer nur diesen einen Moment." Das sagt der junge Frank Giering in Absolute Giganten, in einem jener magischen Augenblicke des Kinos, die sich für immer einprägen. Die Neunzigerjahre sind an seinen Klamotten unverkennbar abzulesen. Doch die Sehnsüchte der Hamburger Großstadtjugend, die Sebastian Schipper damals nachzeichnete, sind zeitlos. "Es müsste immer Musik da sein. Bei allem, was du machst", sagt Giering zu dem fragilen Mädchen neben sich im sterilen Fahrstuhl. Die Musik zu dieser Szene stammt von der englischen Band Sophia und ist so eindringlich wie melodisch simpel.

Die passende Filmmusik für seine Werke zu kreieren, war für den Regisseur Schipper schon immer von großer Bedeutung. "Für mich ist das Wichtigste, dass die Musik nicht einfach nur das gleiche erzählt, was schon in den Bildern zu sehen ist. Deshalb arbeite ich gerne mit Komponisten, die keine Filmmusiker sind", sagt er, der mit seinem neuesten One-Take-Thriller Victoria gerade sechs Lolas in allen wichtigen Kategorien des Deutschen Filmpreises abgeräumt hat. Unter anderem auch für die beste Filmmusik. Die stammt von dem Komponisten Nils Frahm. Schipper hält wenig von maßgeschneiderter Filmmusik: "Das ist für mich ein Grauen, wenn Musik extra für eine Szene komponiert wird. In der Musik muss etwas Neues dazukommen." Bei den Kompositionen für seine Filme funkt der Regisseur niemals dazwischen: "Die Musiker handeln eigenständig, ich schreibe da nichts vor. Es ist wichtig, dass die Musik eigenständig funktioniert, Bilder, Dialoge und Musik erzählen zusammen eine Geschichte, auf unterschiedlichen Ebenen. Mehr über den Schipper'schen Musikkosmos kann man auf dem diesjährigen Filmtonart-Kongress im Funkhaus des Bayerischen Rundfunks erfahren. Dort findet ein zentraler Branchentreff statt, bei dem Komponisten, Filmemacher, Autoren, Schauspieler, Produzenten und Musikverleger zusammen kommen, um sich über Filmmusik auszutauschen. In unterschiedlichen Panels werden Urheberrechtsfragen, der Medienstandort München und mehr diskutiert. Auch Ulrich Tukur wird zu Gast sein und über den Tatort Im Schmerz geboren sprechen, in dem er ausschließlich mit klassischer Musik arbeitete. Der Komponist Matthias Weber, der die Musik zu US-Serien wie Baywatch und Die Sopranos machte, wird seine Vertonung des Alpen-Westerns Das finstere Tal vorstellen. Außerdem präsentiert Bully Herbig seine Filmmusik-Highlights in einem Konzert im Circus Krone.

Welche Filmmusik für ihn ein Vorbild sei? Darauf hat Schipper schnell eine Antwort: Den Soundtrack zu Godards Le Mépris. Am Ende von Absolute Giganten wiederholt sich die Musik repetitiv, als sei die Platte tatsächlich gesprungen. Giering lebt nicht mehr. Der Film hat ihn und diesen Moment unsterblich gemacht. Die Musik natürlich auch.

Filmtonart, Tag der Filmmusik: Fr., 26.6., im BR, Rundfunkplatz 1, Teilnahme kostenfrei, Live-Stream unter www.br.de/filmtonart, Panel Carte blanche. Der Musikkosmos von Sebastian Schipper um 16 Uhr, Sounds of Bully's Cinema - Das Filmmusikkonzert , Do., 25.6., 20 Uhr, im Circus Krone Karten: 590 01 08 80

© SZ vom 25.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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