Film:Mit der Todesfuge gegen das Böse

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Wie der Münchner Robert Sigl Celans Gedicht verfilmen will

Von Stefanie Schneider, München

"Der Tod ist ein Meister aus Deutschland", dichtete der Rumäne Paul Celan in der "Todesfuge", seinem bekanntesten lyrischen Werk. Darin geht es um die nationalsozialistische Judenvernichtung und um das Leben an einem Ort, der einzig zum Sterben konzipiert wurde. In eindringlichen Bildern zeichnet das Gedicht die Verhältnisse in einem Konzentrationslager, den Kampf ums Überleben, die Panik vor dem beliebigen Todesurteil, das Chaos und die Angst. Mit "wir schaufeln ein Grab in den Lüften/ da liegt man nicht eng", lässt Celan die zum Tode Verurteilten sprechen. Er selbst wurde als Rumäne jüdischer Abstammung 1941 in ein Arbeitslager deportiert, sein Vater starb an den Folgen der Gefangenschaft, seine Mutter wurde erschossen. Das Trauma, seine Eltern im Stich gelassen zu haben, nistete sich in Celans Kopf ein und schimmert oft in seinen Gedichten durch.

Der Münchner Filmemacher Robert Sigl, der unter anderem für den "Tatort" und "Alarm für Cobra 11" Regie führte, will Celans "Todesfuge" nun verfilmen. "Ich bin vor Jahren darauf gestoßen, es hat mich unglaublich berührt", erklärt Sigl und fährt fort: "Das, was Celan beschreibt, ist angesichts der Flüchtlingsdebatte aktueller denn je. Rassismus und Fanatismus zeigen allerorten wieder ihre hässlichen Fratzen, und es ist wichtig, diesen Fratzen den Spiegel vorzuhalten." Es soll ein Kurzfilm werden - Sigl übernimmt Drehbuch und Regie, während Schauspieler Alexander Held, bekannt aus "Schindlers Liste " und "Sophie Scholl - Die letzten Tage", die Rolle des Lagerkommandanten spielt. "Ich habe mich für ihn entschieden", meint Sigl, "weil er wie kein anderer diese Gegensätze, die den Film ausmachen, verkörpern kann: eine "sympathische Brutalität", eine "schöne Grausamkeit" oder "todbringendes Wohlbehagen". Dass der Film von Widersprüchen lebt, klingt schon im Titel "Schwarze Milch" mit: Die Milch spendet hier nämlich kein Leben, sie ist verdorben und kann geradewegs zum Tod führen. "Das ist derart albtraumhaft und düster", sagt Regisseur Sigl, "dass der Film nur nachts spielen wird. Der Tag als Metapher für Leben und Neubeginn soll hier nämlich kategorisch ausgeklammert werden."

Der Wahnsinn der systematischen Massenvernichtung wird hier lyrisch sichtbar gemacht. Dabei lauscht der Zuschauer den Zeilen der "Todesfuge", die im selben Moment visuell umgesetzt werden. Sigl wird mit Special-und Visual-Effekten arbeiten und sich an der Ästhetik älterer Filmklassiker orientieren: "Ich denke zum Beispiel an surrealistische Bilder wie in Charles Laughtons Thriller "Die Nacht des Jägers " oder an die spezielle Ästhetik von "Sin City"." Über Crowdfunding wirbt der Münchner Filmemacher nun mit seinen beiden Produzentinnen Lolita Büttner und Maria Romanska für das Kurzfilm-Projekt. "Um den Film glaubhaft zu produzieren, benötigen wir ein sattes Budget", erklärt der Regisseur. 2200 von angepeilten 30 000 Euro wurden mithilfe der Crowdfunding-Plattform "Startnext" bereits finanziert.

Noch 23 Tage bleiben dem Projekt, um Geld für Dreharbeiten und Postproduktion zu erwirtschaften. "Die deutschen Verleiher tun sich mit der Förderung von düsteren Filmen schwer", sagt Sigl, "sie haben keine Angst, solche Filme aus Amerika einzukaufen. Wenn wir deutschen Filmemacher dieses Genre allerdings bedienen wollen, werden wir schon fast für krank gehalten." Dabei ist es wichtig, dass der Film sich dieser Themen annimmt. "Damit Rassismus gezielt bekämpft wird - vor allem durch die Kunstform des Films, denn der hat die größte Massenwirkung", erklärt Sigl. "Schwarze Milch", sagte Paul Celan während einer Rede einmal, sei keine Metapher mehr, "das ist Wirklichkeit". Robert Sigls Film könnte demnach nicht aktueller sein.

© SZ vom 08.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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