Film:Indiz Ökobohne

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Pappbecher war gestern: Der Eberhartinger (Sebastian Bezzel bei den Dreharbeiten) achtet auf den eigenen ökologischen Fußabdruck. (Foto: Bernd Schuller/Constantin Film)

Materialschlacht war gestern, heute bemühen sich Produktionsfirmen um den "Grünen Drehpass". Die Constantin ergatterte ihn für ihren Bayernkrimi. Aber warum von Filmförderern aus Hamburg?

Von Josef Grübl

Grün ist höchstens seine Dienstuniform, ansonsten macht sich der Dorfpolizist Franz Eberhofer wenig Gedanken über ökologisch-nachhaltige Lebensweise. Der Held der kulinarischen Krimireihe von Rita Falk lebt in einem alten Schweinestall, der allem Anschein nach alle Energiestandards unterwandert und fährt selbst kurze Strecken mit dem Uralt-Dienst-Audi. Auch die von ihm verzehrten Leberkäsesemmeln deuten auf alles andere als eine vegan-korrekte Ernährung hin. Trotzdem soll der Bayern liebster Kinokrimiheld in Sachen Umweltschutz ein Vorbild werden, eine grüne Leuchtfigur sozusagen. Derzeit laufen in München und Niederbayern die Dreharbeiten zum fünften Teil; "Sauerkrautkoma" soll im Sommer 2018 in die Kinos kommen. Auf ersten Fotos posiert der Eberhofer-Darsteller Sebastian Bezzel neben schadstoffarmen Trucks und mit recycelbaren Kaffeetassen, in einen Öko-Apostel verwandelt er sich zum Glück aber nicht: Der Film wurde gerade mit dem "Grünen Drehpass" der Filmförderung Hamburg/Schleswig-Holstein ausgezeichnet, einer Art Ökosiegel für Dreharbeiten.

Auf die Handlung oder den Look hat das keine Auswirkung. Franz und sein Kumpel Rudi werden also weder Fahrgemeinschaften im Tesla bilden, noch Hemden aus recyceltem Hanf tragen. In der Herstellung hat sich aber einiges geändert: "Unser Vorstand hat entschieden, in Zukunft möglichst ökologisch-nachhaltig zu drehen, mit diesem Film machen wir den Anfang", sagt Christine Rothe, die Geschäftsführerin der Constantin Filmproduktion. Das habe keine inhaltlichen, sondern terminliche Gründe; auch beim nächsten Constantin-Projekt, Sönke Wortmanns Verfilmung des Theaterstücks "Der Vorname", stehen die Zeichen auf grün. Rothe ist für den Bereich Herstellungsleitung zuständig und hat darin jahrzehntelange Erfahrung, bereits in den Neunzigerjahren war sie bei den Kinoprojekten von Bernd Eichinger dabei.

Damals galt der Ausdruck "Materialschlacht" als ein Qualitätsmerkmal, je mehr kaputt ging und je lauter es wurde, umso attraktiver erschienen große Kinofilme für das Publikum. Auch heute kracht und scheppert es noch reichlich, allerdings eher auf der Leinwand und nicht mehr hinter den Kulissen. Dank der Digitalisierung entstehen Materialschlachten heute am Rechner, auch sonst haben sich die Vorzeichen gewandelt: Produzenten überlegen sich, wie sie den ökologischen Fußabdruck von Film- und Fernsehproduktionen senken können. Zwar gilt die Branche im Vergleich zu anderen Industriezweigen nicht als ausgewiesene Dreckschleuder, achtsames Verhalten schont trotzdem die Ressourcen. So sind es auch vergleichsweise kleine Schritte, die den neuen Eberhofer-Fall grüner machen sollen: Das gesamte Müllaufkommen soll reduziert werden, im Catering gibt es kein Einweg-Geschirr mehr, im Büro druckt man weniger aus. Noch wichtiger sei das Filmequipment, erklärt Rothe, so wolle man zur Stromerzeugung nicht mehr mit alten Diesel-Generatoren ohne Partikelfilter arbeiten, auch im Bereich Licht will man auf moderne LED-Lampen umsteigen. Da Filmleute nicht automatisch Umweltexperten sind, arbeitet Rothe mit einem Fachmann zusammen: Philip Gassmann ist selbst Filmemacher, beschäftigt sich aber seit langem auch mit Umweltschutzthemen. So half er zuletzt dabei, die Bavaria Film in Geiselgasteig in einen klimaneutralen Produktionsstandort zu verwandeln, den Dreh von "Sauerkrautkoma" begleitet er als Berater.

Beim Transport könne viel eingespart werden, sagt er. Filmproduktionen seien eben sehr mobil. Hybrid- und Wasserstofffahrzeuge sowie besser ausgelastete Wohnwägen am Set seien aber nur der Anfang; wenn es die Branche ernst meint mit dem Umweltschutz, sollte sie sich auch über Stars Gedanken machen, die ständig hin- und hergeflogen werden. Gassmann ist trotzdembegeistert von all den grünen Ideen, die freiwillig, ohne Gesetzesvorlage umgesetzt werden: "Bevor der Umweltpolizist kommt, ist proaktives Verhalten doch viel besser."

Wieso aber bekommt ein urbayerischer Film, der vom Film-Fernseh-Fonds Bayern (FFF) gefördert wird, von der ansonsten unbeteiligten Filmförderung Hamburg/Schleswig-Holstein einen "Grünen Drehpass"? Das habe mit regionalen Unterschieden zu tun, weiß Gassmann, in anderen Bundesländern seien Filmförderungen in Sachen umweltfreundliches Drehen sehr viel weiter: "Bayern ist, was das betrifft, absolutes Schlusslicht." Fragt man den Chef des FFF Bayern, klingt das etwas anders: Natürlich unterstütze und finanziere seine Fördereinrichtung auch grüne Projekte, sagt Klaus Schaefer. Das Ökosiegel der Kollegen aus Hamburg sehe er aber trotzdem eher als "Publicity-Gag": "Das kann man ja nicht wirklich kontrollieren, deswegen vergeben wir auch keine Prämien oder Plaketten."

© SZ vom 20.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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