Film:Ein wahrer Mensch

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Glück zum Frühstück: Kater Toni und Lukas Turtur. (Foto: Coop99 Filmproduktion GmbH)

Noch kann man Lukas Turtur am Residenztheater erleben - und im Kino, in "Kater" von Händl Klaus

Von Egbert Tholl, München

Es ist schwierig, über einen Film zu schreiben, in welchem es einen blitzkurzen Moment gibt, der alles verändert, den man aber nicht verraten darf. Denn dieser Moment muss über den Zuschauer kommen, aus wirklich dem heiteren Himmel, der sich geraume Zeit über der Geschichte wölbt. Es ist eine Geschichte wunderbaren Glücks. Ein Paar, zwei Männer, lebt in einem alten, schönen Haus in einer Idylle am Rande Wiens, beide arbeiten in einem Orchester, der eine als Disponent, der andere spielt Horn, sie haben viele Freunde, sie haben eine Freude aneinander und einen Kater. Der Kater heißt Toni und er gab dem Film den Titel. "Kater" von Händl Klaus ist am Pfingstmontag, 16. Mai, um 21.15 Uhr im City-Kino in München zu sehen. Im selben Kino hatte er vor ein paar Wochen eine Art Premiere, beim Queer-Filmfestival. Überhaupt lief der Film schon bei vielen Festivals, auf der Berlinale und in Hongkong, in Tel Aviv, Istanbul oder Turin. Einen Verleih hat er inzwischen auch, doch bislang nur für Österreich, wo er im Herbst regulär in die Kinos kommt - Händl lebt in Wien und Biel.

Das Paar in diesem wunderbaren, hochgradig intimen und präzisen Film wird gespielt von Philipp Hochmair und Lukas Turtur. Turtur ist festes Ensemblemitglied am Residenztheater, seit Martin Kušej Intendant ist. Allerdings gibt er mit Ende der laufenden Saison das feste Engagement auf, und ein bisschen schuld daran ist auch der "Kater". Denn es lockt die Freiheit. "Ich habe grad Horizont gewonnen, genieße den freien Blick." Aufs Drehen, auf Neues. Da ist der "Kater", der auf vielen Festivals läuft und die beiden Hauptdarsteller mit enormem Mut exponiert, ein guter Zeitpunkt. Doch aufgeben will Turtur das Theater nicht, nur noch drehen, ne, das nicht. Dazu hatte er in den vergangenen Jahren auch zu viel Freude, mit Peeping Tom, Gotscheff, Marius von Mayenburg etwa.

Fürs Residenztheater hatte sich Turtur einfach blind beworben. Zu der Zeit spielte er gerade in Bern, sein erstes festes Engagement nach der Schauspielschule. Und eben: Turtur wurde in München geboren, wuchs hier auf, ging hier an die Otto-Falckenberg-Schule, dann zwei Jahre Schweiz und schon wieder hier. Da kann man gut verstehen, dass der noch etwas anderes ausprobieren will. Am Residenztheater hat er eh viel gespielt, in der ersten Saison gleich sechs Produktionen, dann jeweils so etwa vier Premieren. Und die Freundin lebt in Los Angeles. Tanzt dort, tourt aber zum Glück auch viel durch Europa. Doch nach L. A. zieht Turtur nicht. Er bleibt erst einmal in München wohnen, wird ja auch noch kommende Saison in den Stücken spielen, die weiter im Spielplan sind. Er geht auch nicht nach Berlin, um das mal gleich zu sagen, obwohl sein Bruder dort gerade dabei ist, einen Club zu eröffnen, mit Live-Jazz und Kunstgalerie inklusive.

Bern ist übrigens ein bisschen schuld am Film. Weil er dort mit Stefan Otteni Prosatexte von Händl Klaus erarbeitete. Jahre später nun suchte Händl, Dichter, Librettist und Filmemacher in Personalunion, einen "Kater"-Darsteller. Den Kater hatte er, besser zwei davon, seine eigenen, Tino und Toni, und Hochmair hatte er. Und für Hochmair brauchte er einen Lebens- und Liebespartner für 45 Drehtage. Und den empfahl ihm nun Otteni. Nämlich Turtur. Händl Klaus schickte dem das Skript, traf ihn am nächsten Tag. Lukas Turtur war schon beim Lesen begeistert, weil ihn beeindruckte, "wie diese beiden Menschen miteinander und umeinander kämpfen". Tatsächlich ist "Kater" auch ein Film darüber, wie sich auf einmal, für einen winzigen Moment, ein schier bodenloser Abgrund auftun kann. Und was man danach macht.

Wie Hochmair und Turtur, die sich zu Beginn der Dreharbeiten das erste Mal sahen, miteinander umgehen, ist wirklich großartig. Das hat eine Freiheit, eine wahrhaftige Offenheit, die einen auch sofort vergessen lässt, dass die beiden hier ein schwules Paar spielen. Die Homosexualität ist keine Sensation, sie ist selbstverständlich, es geht um die Liebe und um zwei Menschen an sich.

Und um Toni, der sich beim Drehen als schwer kalkulierbares Moment erwies. Sein Kompagnon Tino offenbarte sich bald als "Schisser" (Turtur), so blieb Toni als Alleinstar übrig. Turtur zog ins Haus, in dem dann auch gedreht wurde, lebte zwei Wochen mit den beiden Katzen, aber das bedeutete noch lange nicht, dass Toni das tat, was im Skript stand. Drei Nächte etwa schlief Turtur einbalsamiert mit Katzenfutter, Kameramann Gerald Kerkletz versteckte sich im Schlafzimmer, als gelte es, Leoparden am Wasserloch aufzuspüren. Nur damit eines Morgens Toni so über die Bettdecke stolziert, wie es Händl Klaus haben wollte. Je größer bei diesem Film der Aufwand, desto weniger sieht man davon. Aber man spürt, so viel.

© SZ vom 11.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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