Festival:Globale Gassenhauer

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Das Nürnberger Bardentreffen hat sich in 42 Jahren vom kleinen Liedermacherwettbewerb zum riesigen Weltmusik-Event gewandelt

Von Oliver Hochkeppel

Macht man sich an diesem Wochenende in die Nürnberger Altstadt auf, taucht man in eine Klangwolke ein. Hunderte von Straßenmusikanten säumen die Wege, wenn man sich den Weg durch die Massen zu den Plätzen im Zentrum bahnt. Dort aber geht es erst richtig los, auf neun Bühnen - riesigen wie der auf dem Hauptmarkt oder der Insel Schütt, mittleren wie am Lorenzer oder Sebalder Platz und kleinen wie im Kulturgarten: Das Bardentreffen hält Nürnberg wieder ein Wochenende lang in Atem. Voraussichtlich bis zu 200 000 Zuschauer werden sich durch die mittelalterlich engen Gassen drängen, um 96 Bands mit gut 400 Musikern zu erleben.

Seit vielen Jahren geht das nun schon so, und doch war es ein weiter Weg vom kleinen Liedermacherwettbewerb mit 28 Bänkelsängern bis zum größten Umsonst-und-Draußen-Musikfestival Deutschlands und einem der größten World-Music-Meetings weltweit. Das "putzige Vorsingen" am Gänsemännchenbrunnen, von dem in der Jubiläumsbroschüre vor ein paar Jahren die Rede war, und das vor 42 Jahren von drei Lokalpolitikern und Journalisten im Hinterzimmer des "Gunzenhausener Bräustüble" zur Belebung der Innenstadt erdacht wurde, ist heute ein gigantisches Spektakel junger Pop-Kultur. Vor allem aber ein Geschenk der Stadt Nürnberg an ihre Bürger. Denn nach wie vor ist die Stadt der alleinige Veranstalter, und zwei Drittel der Besucher sind Einheimische.

Natürlich hat sich auch programmatisch und stilistisch einiges getan in den vergangenen Jahren. Die gewürzkrautumwölkten und Agitprop-engagierten Liedermacher kamen aus der Mode, abgelöst erst von den moderneren Sängern und Songwritern, schließlich von Weltmusikern jeder Couleur - seit 2014 führt das Bardentreffen offiziell den Untertitel "World Music Festival". Trotzdem hält man in Nürnberg bis heute allen Richtungen die Treue, den alten Kämpen ebenso wie den jungen Wilden, den Einheimischen ebenso wie denjenigen aus fernen Ländern, von deren Musik man früher überhaupt nichts wusste. Das spiegelt sich auch im diesjährigen Motto wieder: "Gegenwind" meint zunächst den aktuellen Trend zu Blas- und Brassmusik, auf den man heuer ein besonderes Augenmerk legt. Es hat aber auch einen politischen Unterton, als Aufruf zu "Aufgeschlossenheit, Toleranz und kultureller Vielfalt", wie es Nürnbergs Kulturreferentin Julia Lehner formuliert.

Fast 20 Bands darf man diesem Themenschwerpunkt zurechnen. Stürmischer Gegenwind kommt zum Beispiel von den britischen Inseln, laut von der furiosen schottischen Dudelsack-Rock-Truppe Red Hot Chilli Pipers, filigran von der anglo-irischen Supergroup Flook. Heißen Funk blasen nach wie vor die französisch-amerikanischen Veteranen von Electro Deluxe, kaum weniger energetisch geht es bei Bixiga 70 aus Brasilien oder Rosario Smowing aus Argentinien zu. Das Džambo Aguševi Orchestra aus Mazedonien und Oratnitza aus Bulgarien repräsentieren den großen Einfluss des Balkan Brass auf den Global Pop.

Aber auch Einheimisches ist stark vertreten: das Aushängeschild des deutschen Urban-Brass, Moop Mama, die Münchner Jazzrausch Big Band, die ihr hip-hoppiges Swing-Programm mit der Rapperin Fiva vorstellt, oder die Hamburger Techno-Marching-Band Meute. Auch die alpine Tradition wird bedient, mit der Unterbiberger Hofmusik, dem Loisach Marci oder mit Andreas Martin Hofmeir und seinem European Tuba Power-Quartett. Natürlich gibt es auch jede Menge Musik ganz ohne Blasinstrumente, Electro-Tango von Otros Aires aus Argentinien etwa, die zauberhafte Stimme von Floriana Cangiano aus Neapel, ostafrikanischer Retro-Soul von Alsarah & The Nubatones, Spaniens derzeit heißestem Musikexport Fuel Fandango oder progressiven Oriental Dub von Baba Zula aus der Türkei. Und sowohl die Fans der "neuen" wie der "alten" Liedermacherschule kommen auf ihre Kosten. Unter anderen mit Fehlfarben, Isolation Berlin, Folkshilfe, Lüül & Band, Sarah Lesch, dem Nino aus Wien, Michael Fitz, Stephan Zinner und Faber. Die regionale Szene, zu der Bands wie Monokini, The Green Apple Sea oder Nick & June gehören, hat ihren Platz wie gewohnt auf der Bühne am Lorenzer Platz.

42. Nürnberger Bardentreffen , Freitag bis Sonntag, 28. bis 31. Juli, Altstadt

© SZ vom 28.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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